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Meinung von außen: Ein Pfeiler des Rechtsstaates

Von Harald Bisanz

Politik

Die - mittlerweile eingestellten - Ermittlungen gegen zwei Asylanwälte sorgten vorige Woche für Aufregung. Bezugnehmend auf diese Fälle betont der Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer in seinem Kommentar die Wichtigkeit einer freien Anwaltschaft als ein "Pfeiler des Rechtsstaates".


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Unlängst hat es gegen eine Rechtsanwältin und einen Rechtsanwalt wegen "Aufrufs zum Ungehorsam gegen Gesetze" und "Verdachts der Schlepperei" Strafanzeigen gegeben. Zwei Anzeigen, die derart unbegründet waren, dass man dem Geschehen mit Nachdruck nachzugehen hat. Erstmals musste sich der Generalsekretär von Amnesty Österreich an die UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechtsverteidigung in Genf wenden. Nicht angenehm für Österreich.

Was warf man den beiden Angezeigten konkret vor? Tschetschenische Flüchtlinge versuchten vor einem Jahr, mit "glaubhaft geäußerten Schutzansuchen" nach Österreich einzureisen, mussten aber - nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes - nach Tschechien zurück. Die Rechtsanwälte - und das dürfen diese selbstverständlich, schon nach EU-Recht! - nahmen sich der Flüchtlinge an. Visitkarten wurden überreicht, und ohne irgendeines Hinweises, dass etwa dem Rechtsanwalt nur die geringste Beitragshandlung in Richtung Schlepperei anzulasten sei, wurde von der Behörde die genannte Anzeige an die Staatsanwaltschaft überreicht. Skurriler noch das Geschehen um die Rechtsanwältin: Diese wurde wegen "Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze" gemäß § 281 Strafgesetzbuch (StGB) angezeigt, weil sie in einem Zeitungsinterview Ende September äußerte, dass man "schwer traumatisierten Menschen, die von Abschiebung bedroht sind, helfen müsse und dies kein Verstecken" sei. Auch hier wurde das Verfahren dieser Tage eingestellt.

Die beiden in Rede stehenden Anzeigen bewegen sich auf dünnem Eis. Würden sie von einem (österreichischen) Rechtsanwalt im Auftrag eines Klienten derart, nämlich ohne profunde Prüfung der Tragfähigkeit, verfasst und eingebracht, so würde sich dieser Kollege wohl rasch mit dem Disziplinarrat konfrontiert sehen. Im vorliegenden Fall besteht leider auch noch der eminente Verdacht, dass die Sicherheitsbehörden in bedenklicher Weise das gesetzlich gewährleistete Verschwiegenheitsrecht der Anwälte und ihrer Mandanten verletzt haben. Dies alles ruft Sorge hervor: Eine freie Rechtsanwaltschaft gehört zu den "Pfeilern des Rechtsstaates". Die Forderung nach gesicherter freier Anwaltschaft ohne jegliche Beeinträchtigung auch nur im Ansatz, namentlich auch durch unbegründete Strafanzeigen, ist deshalb keineswegs ein nur österreichisches oder selbstverständliches europäisches Anliegen, sondern im UN-Grundrecht ebenso gesichert wie in Verträgen, Festlegungen und Beteuerungen auch der neuesten Zeit: Die 41 unabhängigen Richter des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg judizieren seit 1953 unangefochten zum privilegierten Verkehr zwischen Anwaltschaft und Klient.

Verschiedenen Medienberichten zufolge ging es gezielt um die beiden angezeigten Anwälte, die beide, weil Fachleute, in den "Menschenrechtsbeirat im Bundesministerium für Inneres" bestellt bzw. in einer der fünf Kommissionen dieses Beirates als Leiter tätig sind.

Der Menschenrechtsbeirat soll am 16. November eine Sondersitzung abhalten, die von sieben der zehn Beiratsmitglieder gewünscht wurde. Hauptthema dabei sei die Frage der Wiederbestellung des von den Behörden angezeigten Rechtsanwalts. Insofern wird diese Sitzung mehrfach interessant. Es geht nicht nur um die Frage der Wiederbestellung, sondern auch und gerade um eine Menschenrechtsfrage: Liegt hier nicht eine erschreckende Behinderung der freien Anwaltstätigkeit vor?

Die Anzeigen gegen zwei freie, unabhängige Mitglieder des Rechtsanwaltsstandes beunruhigen. Die bevorstehenden, doch zu erwartenden Maßnahmen und Klärungen geben Anlass zu Optimismus, nämlich dass dies Einzelfälle sind - und bleiben. Wir müssen den Anfängen wehren!

Harald Bisanz ist Präsident der Rechtsanwaltskammer Wien. Eine ausführlichere Darstellung enthält das Dezember-Heft des "Österreichischen Anwaltsblattes" und ist auch unter www.rakwien.at demnächst nachzulesen.