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An den Universitäten brodelt es - nicht nur in Österreich. Seit Wochen protestieren in Deutschland Studierende gegen das "Kaputtsparen" ihrer Unis durch die rot-grüne Regierung. Da wirkte es schon fast wie eine Provokation, als SPD-Generalsekretär Olaf Scholz die Schaffung von Elite-Universitäten forderte. Ein Ziel, das sich für den Bildungsforscher Hans Pechar nicht einfach dekretieren lässt.
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Von der österreichischen Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat sich in den vergangenen Wochen in deutschen Universitätsstädten eine Welle von Studentenprotesten ausgebreitet, die das Feuilleton bereits zu Vergleichen mit den späten 1960er Jahren provoziert hat. In einem Punkt unterscheidet sich der gegenwärtige Protest freilich von den Vorgängern der 68er Generation: Er richtet sich nicht gegen die Weltpolitik (Vietnam) und das Establishment, sondern gegen das "Kaputtsparen" der deutschen Hochschulen. In der Tat zeigen alle internationalen Statistiken, dass die deutschen Unis noch schlechter dastehen als die österreichischen. Die Zentren der Studentenproteste sind Berlin, das seit der deutschen Wiedervereinigung unter speziellen Budgetproblemen leidet, und München, denn auch das reiche Bayern hat seinen Universitäten einen radikalen Sparkurs verordnet.
Ob die SPD-Führung unter diesen Rahmenbedingungen viel Fingerspitzengefühl bewiesen hat, als sie die Einrichtung von Eliteuniversitäten nach US-amerikanischem Vorbild ankündigte? Ist das die Flucht der Politik vor der aktuellen Finanzmisere? Das indirekte Eingeständnis, das deutsche Hochschulsystem nicht mehr auf dem Niveau international konkurrenzfähiger Forschungsuniversitäten finanzieren zu wollen?
Gewiss, die Einheitlichkeit der deutschsprachigen Hochschulsysteme hat keine Zukunft. Unter den Bedingungen einer fortgesetzten Hochschulexpansion ist eine stärkere Differenzierung unvermeidlich. Warum sollte da kein Platz für ein Elitesegment sein? Aber wie entsteht es? Gerade das stets zitierte amerikanische Beispiel legt nahe, dass nicht politische Patronage, sondern der offene Wettbewerb um die talentiertesten Studenten und Forscher sowie um Forschungsgelder ausschlaggebend sind. Ein entscheidender Faktor für die Stärke der US-Spitzenuniversitäten ist die aus dem riesigen Binnenraum des Landes resultierende kritische Masse des Elitesegments, die einen Qualitätswettbewerb möglich macht. Selbst in den großen europäischen Ländern sind diese Voraussetzungen nicht gegeben.
Auf der anderen Seite erleben wir gerade die Entstehung eines "Europäischen Hochschulraums", der auch die USA an Größe und an Zahl der Talente übertrifft. Wenn die Politik europäische Eliteuniversitäten will, soll sie diese Entwicklung fördern und beschleunigen. Schon jetzt gibt es, unterhalb der offiziösen Gleichheitsrhetorik, deutliche Qualitätsabstufungen in allen europäischen Ländern. Eine stärkere Mobilität der Talente und Forschungsgelder wird diese Unterschiede vergrößern und sie auch besser sichtbar machen. Auf der gesamteuropäischen Ebene wird sich ein Elitesegment herausbilden, das mit den US-Spitzenuniversitäten mithalten kann. Wie viele deutsche Universitäten in dieser obersten Liga mitspielen werden, entscheidet dann der Qualitätswettbewerb.
Wir Österreicher können uns ja bequem zurücklehnen. Den heimischen Unis hat die Bildungsministerin bereits das amtliche Gütesiegel der "Weltklasseuni" ausgestellt.
a.o.Univ.Prof. Dr. Hans Pechar leitet die Abteilung Hochschulforschung an der "Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung" (IFF) der Universität Klagenfurt