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Was kann ein Gesetz, das Eltern bis zum 7. Geburtstag bzw. bis zum Schuleintritt des Kindes ein Recht auf Teilzeitbeschäftigung einräumt, bewirken?
Teilzeit stellt bislang eine Sonderform der Erwerbsarbeit dar, die in der Praxis auf bestimmte Berufe konzentriert ist, wie z.B. Handel, Büroberufe. Qualifizierte Berufe mit überdurchschnittlichem Teilzeitanteil gibt es schon seltener. Reduziert man/frau die Stundenzahl im qualifizierten Beschäftigungssegment, so ändert sich damit meist der Aufgabenbereich bzw. wird Teilzeitbeschäftigung als Ausnahmezustand oder Sonderrecht wahrgenommen mit der Konsequenz, dass positive Aspekte der Berufstätigkeit - Weterbildungsmöglichkeiten, soziale Kontakte während der Dienstzeit, selbstbestimmte Tätigkeiten, Aufstiegschancen etc. - ingeschränkt bleiben. Und nicht zuletzt handelt es sich bei Teilzeitbeschäftigung um ein überwiegend weibliches Phänomen.
Mit dem Recht auf Teilzeit soll wohl versucht werden, Wirtschaft und Gesellschaft zu "zwingen", Teilzeitbeschäftigung für beide Geschlechter, für alle Berufe, Branchen und Qualifikationsstufen zu akzeptieren. Ob dieser Anspruch tatsächlich realisiert werden kann, wird aus mehreren Gründen bezweifelt:
Die Einschränkung des Rechts auf Teilzeit auf Personen, die in Betrieben mit mehr als 20 MitarbeiterInnen länger als drei Jahre beschäftigt sind, bedeutet, dass nur ca. ein Drittel der Eltern Anspruch darauf haben. Gerade jüngere Frauen weisen diese Voraussetzungen aufgrund instabiler Berufskarrieren und der Beschäftigung in Kleinbetrieben seltener auf.
Teilzeit ist weiblich und daran wird sich aufgrund der gegebenen Rahmenbedingungen kaum etwas ändern. Während Männer durch Kinder ihren Zeiteinsatz für Berufsarbeit eher erhöhen, denn mindern, stellt Teilzeitbeschäftigung für Mütter eine Möglichkeit dar, Beruf und Familie zu vereinbaren. Nach dem Motto "Eines ist zu wenig, beides ist zuviel" arbeitet fast die Hälfte der erwerbstätigen Frauen mit Kindern (49%) teilzeit. Trotz all der Reformbemühungen der letzten Jahre ist es für österreichische Frauen kaum einfacher geworden, Beruf und Familie zu vereinbaren. Mangelnde Anreize zur Einbeziehung der Väter in die Kinderbetreuung und unzureichende Kinderbetreuungsangebote sind mitentscheidend, dass es dem Organisationstalent der Mütter überlassen bleibt, den Balanceakt von Familie und Beruf zu meistern. Bei diesen Bedingungen entscheiden sich Frauen daher für längere Berufsunterbrechungen zu Gunsten der Familie und versuchen danach einen Wiedereinstieg.
Ob dann Teilzeit aber auch tatsächlich eine Option darstellt - und hier kommen wir nun zum Gegenargument der Väter -, ist nicht zuletzt von der finanziellen Absicherung abhängig. Eine vorübergehende Einschränkung mag zwar für die meisten Familien verkraftbar sein (siehe die weitreichende Nutzung der Karenz trotz geringer Ersatzleistungen), doch die längerfristigen Auswirkungen können sich nur traditionelle Familien mit einem männlichen Ernährer leisten.
So bleibt die Frage offen, welches politische Signal auf das Recht auf Teilzeit im Hinblick auf die Chancengleichheit im Erwerbsleben gesetzt wird. Für einen Teil der Mütter bringt dies die Möglichkeit, auf ihrem Arbeitsplatz mit reduzierter Arbeitszeit weiterzuarbeiten. Doch die Kosten, die den Unternehmen durch das Recht auf Teilzeit entstehen, können die Diskriminierungspraktiken gegen Frauen verständlicherweise verstärken. Und dass frau die langfristigen Kosten einer Arbeitszeitreduzierung durch Einkommens- und Pensionsverluste selbst zu tragen hat, haben wir bei der letzten Pensionsreform gelernt.
Fazit: Auch mit dieser Reform wird eine Wahlmöglichkeit versprochen, die nur wenigen die Wahl lässt; und wenn sie sich doch dafür entscheiden, sind sie selber schuld.
Mag. Andrea Leitner ist Ökonomin, Dr. Angela Wroblewski Soziologin in der Abteilung Arbeitsmarktforschung am IHS