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Wie Meinungsbildungsprozesse verlaufen, lässt sich berechnen. Darauf deutet zumindest eine neue, im renommierten Fachblatt "Proceedings of the Royal Society A" veröffentlichte Arbeit hin. Die aus Oberösterreich stammende Mathematikerin Marie-Therese Wolfram entwickelt darin ein Modell ihres italienischen Kollegen Giuseppe Toscani aus dem Jahr 2006 weiter: Die Dynamik von Meinungsbildungsprozessen hänge stark vom Austausch und der Kommunikation mit anderen Leuten sowie vom Einfluss der Medien ab. Sie sei mit dem Verhalten von Gasen vergleichbar, wie es der österreichische Physiker Ludwig Boltzmann mithilfe der Statistik von Atomen berechnen konnte.
Wolfram, die auch die Rolle der Opinion-Leader und demographische Faktoren einbezieht, gibt zu, dass es sich um "minimalistische Modelle" handelt, denn die Komplexität der Dynamik von Meinungsbildung sei hoch. Aber sie konnte schon österreichische Wahlergebnisse mathematisch nachvollziehen und stellt dazu fest: "Gerade der Einfluss einzelner kleiner Gruppen gepaart mit kollektiver Dummheit liefert auch bei unseren Gleichungen realitätsnahe Ergebnisse."
Was lernen wir fürs Erste daraus?
Meinungen breiten sich wie Gase aus, kollidieren, lassen neue Bewegungen und letztlich eine vielleicht nicht exakt, aber doch berechenbare Gesamtströmung entstehen. Wer diese Gesamtströmung beeinflussen will, muss viel kommunizieren, reden, schreiben und darf dabei mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg halten. Sonst setzt sich die heiße Luft - oder treffender: der blaue Dunst - anderer durch.