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Meister der politischen Emotionen

Von Walter Hämmerle

Wissen

George Lakoff: "Sprache verändert unser Gehirn." | Erfolgreiche Politik bedarf einer "großen Erzählung". | Wien. Zyniker und Demokratie-Skeptiker haben es immer schon gewusst: Auch in der Politik triumphieren Herz- und Bauchgefühle über Rationalität. Und da man nicht ändern kann, was offensichtlich in der menschlichen Natur festgelegt ist, konzentrieren sich die Politikstrategen darauf, diese "conditio humana" für ihre Zwecke zu beeinflussen und zu nutzen.


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Auf wissenschaftlicher Ebene hat dazu George Lakoff Bahnbrechendes geleistet. Der Linguist von der University of California in Berkeley erforschte Sprache als Metaphernsystem im menschlichen Denken, das auch das politische Verhalten maßgeblich mitbestimmt.

Für Lakoff ist erfolgreiche Politik nur möglich, wenn Emotionen angesprochen werden: "Man kann nicht rational agieren, ohne emotional zu sein", so der US-Wissenschafter und überzeugte Anhänger der Demokraten am Donnerstag in einer Pressekonferenz in Wien, die er gemeinsam mit Christoph Hofinger von Sora und dem Politikberater Thomas Hofer bestritt.

Für Lakoff ist es den US-Republikanern in den letzten Jahrzehnten gelungen, zentrale Schlagwörter des politischen Diskurses in ihrem Sinne zu besetzen und ideologisch zu deuten. US-Präsident Barack Obama sei es zwar in seinem erfolgreichen Wahlkampf gelungen, diese - so Lakoff - konservative Hegemonie durch progressive Emotionalität wie Empathie, Gerechtigkeit und Chancengleichheit zu durchbrechen, bei der Umsetzung seiner politischen Projekte drohe er jedoch zu scheitern, weil er seine Pläne rein auf der rationalen statt emotionalen Ebene kommuniziere.

"Wenn Obama argumentiert, dass seine Gesundheitsreform keine Machtübernahme durch Washington bedeute, dann betreibt er nur das Geschäft der Konservativen, die genau das behaupten." Ähnliches wie den Republikanern in Bezug auf Familie, Steuern oder Big-Government sei etwa den Freiheitlichen in Österreich beim Thema Ausländer gelungen.

"Sprache", so Lakoff, "verändert das Gehirn", weshalb jedes politische Projekt in ein entsprechendes, emotional fundiertes Kommunikationskonzept übersetzt werden müsse. Diese treffe auch für Politiker zu, die ihre Ziele gleichsam in eine große politische Erzählung transformieren müssten.

Wie eine solche in der Praxis ausschauen kann, verdeutlichte Thomas Hofer am Beispiel des anlaufenden Wiener Gemeinderatswahlkampfs. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache versuche sich hier als Robin Hood und Rächer der Enterbten zu inszenieren - für Hofer beides linke Politikkonzepte -, der die Burg des bösen Sheriffs bedrängt. Bürgermeister Michael Häupl habe sich für die Rolle des mächtigen Magiers aus "Der Herr der Ringe" entschieden. Im Gegensatz dazu würden ÖVP und Grüne weder als Parteien noch ihre Spitzenkandidaten Christine Marek und Maria Vassilakou über eine konsistente politische Erzählung verfügen.

Anlass für den Auftritt Lakoffs ist die 15. Jahrestagung der European Association of Political Consultants (EAPC), die am 7. und 8. Mai erstmals in Wien stattfindet und von Sora organisiert wird. Zentrales Thema ist die Rolle von Emotionen für Politik und strategische Kommunikation.