Noam Chomsky feiert am Sonntag den 80. Geburtstag. | New York. (dpa) Ein Geschenk hat Noam Chomsky zum Geburtstag bereits bekommen. "Ich war froh, dass er gewonnen hat", sagt die graue Eminenz der amerikanischen Linken zum Wahlsieg von Barack Obama. Wunder erwartet er sich vom nächsten US-Präsidenten allerdings nicht: "Abgesehen von seinen rhetorischen Schnörkeln präsentiert sich Obama mehr oder weniger als Demokrat der Mitte, vergleichbar mit dem Modell Clinton."
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Chomsky, politischer Provokateur und im Hauptberuf Sprachwissenschafter an der renommierten Universität MIT (Massachusetts Institute of Technology), wird an diesem Sonntag 80 Jahre. Er pflügt das Selbstbild seiner Landsleute seit Jahrzehnten so radikal um wie kaum kein anderer und hat sich viele Beinamen erworben, so "der Michael Moore der Intellektuellen" und "der meistzitierte Außenseiter der Welt".
1928 in Philadelphia als Sohn eines jüdischen Gelehrten geboren, studierte Chomsky Philosophie und Linguistik an der Universität von Pennsylvania. Nach weiteren Studien in Harvard ging er 1961 an das MIT in Cambridge bei Boston. Viele seiner Theorien waren so revolutionär, dass sie weltweit Aufmerksamkeit erregten.
Laut Chomsky wird zum Beispiel jeder Mensch mit einer gewissen Sprachfähigkeit geboren. Das hieße, dass Sprache mehr vorgegeben als vom kulturellen Umfeld geprägt wird. Für die Sprachwissenschaft kam die umstrittene Theorie einer "kopernikanischen Wende" gleich. Sie machte Chomsky zu einem der bedeutendsten Forscher des 20. Jahrhunderts.
Politisch schwang sich der "wichtigste Intellektuelle der Gegenwart", wie ihn die "New York Times" einmal titulierte, zum Vordenker unter anderem der Anti-Globalisierungsbewegung auf. Nach dem 11. September 2001 blies Chomsky in das gleiche Horn wie viele andere Kritiker der amerikanischen Außenpolitik. Seiner Auslegung nach waren die Terroranschläge auf New York und Washington eine unvermeidliche Antwort der Dritten Welt auf die Ausbeutung und Unterdrückung durch die USA.
Aus Chomskys Sicht ringt Washington seit Jahrzehnten hemmungslos um die uneingeschränkte Weltherrschaft. Der von US-Präsident George W. Bush so oft benutzte Begriff Schurkenstaat treffe weniger auf den Iran und Nordkorea zu als auf die USA selbst, sagt er. Dass der mächtigste Staat der Welt vor nichts zurückschrecke, um seine Dominanz zu festigen, habe er zuletzt im Irak gezeigt.
Mehr als 70 Bücher hat der Wissenschaftler und Kritiker der US-Politik geschrieben, dazu weit über 1000 Artikel. Auf Deutsch erschienen zuletzt der Band "Der gescheiterte Staat" (2006), "Interventionen" (2008) und "Die Verantwortlichkeit der Intellektuellen" (2008). Aber selbst wenn er keinen neuen Titel in Arbeit hat, verbringt er Stunden über Stunden am Computer, um Gedanken mit Gleichgesinnten in aller Welt auszutauschen. Oder er ist auf Vortragsreise durch Europa und die Vereinigten Staaten.