Finanzberater durfte sich auf Angaben in MEL-Verkaufsbroschüre verlassen.
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Wien. In der Anlageaffäre um die umstrittenen Zertifikate der Meinl European Land (MEL), die Meinl Bank und die Rolle von Finanzberatern liegt eine neue brisante Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor. Der OGH hat in letzter Instanz eine Klage einer MEL-Anlegerin zurückgewiesen, die sich an ihrem Finanzberater schadlos halten wollte und die Rückzahlung des MEL-Investments forderte. Der OGH spielt den beklagten Vermögensberater frei und spielt den Ball de facto an die Meinl Bank, als mutmaßlich Verantwortliche des irreführenden MEL-Verkaufsprospekts, zurück.
"Obwohl später festgestellt wurde, dass der Prospekt irreführend war, durfte der Berater bis Platzen des MEL-Skandals im 2007 davon ausgehen, dass die Angaben darin korrekt sind", sagt Anwalt Wolfgang Haslinger, der den Finanzdienstleister vertritt. "Der OGH hat festgestellt, dass bis zur Jahresmitte 2007 für den Berater nicht zu erkennen war, dass sich das Risiko der MEL-Zertifikate erhöht hat." Die Vorgeschichte: Eine Anlegerin wollte auf ein Haus sparen, aber dabei kein besonderes Risiko eingehen. Ende 2006 kaufte sie über einen Berater MEL-Zertifikate. Der Berater hatte laut Erstgericht im Anlegerprofil die Risikoklasse "mittel" angekreuzt", weil auf Seminaren das empfohlen worden war. Laut Gericht fielen die MEL-Papiere "zum Zeitpunkt des Erwerbs tatsächlich in die Klasse "geringes bis mittleres Risiko" und hätten der Erwartungshaltung der Anlegerin entsprochen. "Anhaltspunkte dafür, dass die Ausgestaltung des Anlageproduktes von der Vorstellung abwich, die durch die Verkaufsbroschüre vermittelte wurde, hätten nicht bestanden", stellte schon das Oberlandesgericht Wien fest. "Der Finanzberater hätte daher auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen in der Verkaufsbroschüre vertrauen dürfen." Indes hätten die Zertifikate, sagen die Höchstrichter, "der allenfalls begründeten Erwartung einer besonderen Risikobegrenzung durch vorhandenes Immobilienvermögen, wie sich im Nachhinein ergeben hat, objektiv nicht entsprochen". Aber vor Mitte 2007 hätten Anlageberater "mit einer nachhaltigen Trendumkehr" und einer Abweichung von der Risikoerwartung nicht rechnen müssen.