Die Vorsitzende der postfaschistischen "Brüder Italiens" erhebt Anspruch auf die Regierungsführung.
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Es ist 2.30 Uhr in der Nacht auf Montag, als die Wahlsiegerin zum ersten Mal in Erscheinung tritt. Giorgia Meloni erklimmt in weißen Turnschuhen und hellem Jackett die Bühne im römischen Nobelhotel Parco die Principi. Am Ende stellt sie sich den Fotografen mit dem Victory-Zeichen. Denn daran besteht kein Zweifel: Die 45-Jährige ist die große Siegerin der Parlamentswahl in Italien. Mit aller Wahrscheinlichkeit wird Staatspräsident Sergio Mattarella ihr in wenigen Wochen einen Auftrag zur Regierungsbildung erteilen. Meloni würde dann Italiens erste Premierministerin werden.
"Die Wähler haben einen klaren Auftrag für eine Mitte-rechts-Regierung unter Führung der ‚Brüder Italiens‘ erteilt", sagt Meloni ins Mikrofon. Ihre postfaschistische, nationalistische Partei, die 2018 lediglich etwas mehr als vier Prozent der Stimmen erreichte, kam auf 26 Prozent der Stimmen. Die rechte Lega, die bei den Europawahlen 2019 noch einen Erdrutschsieg gefeiert hatte, erreichte dagegen nur neun Prozent.
Insgesamt kann sich die Rechtsallianz mit den Stimmen von Silvio Berlusconis Forza Italia - acht Prozent - auf eine absolute Mehrheit im Parlament stützen. Der Gewinn zahlreicher Direktmandate macht das möglich. "Meloni holt sich Italien", titelte "La Repubblica" am Montag. "Italien rückt nach rechts", schrieb "La Stampa".
Niedrige Wahlbeteiligung
Zweitstärkste Partei wurden die Sozialdemokraten mit 19 Prozent. Parteichef Enrico Letta kündigte angesichts des schwachen Ergebnisses an, künftig nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren. Die Fünf-Sterne-Bewegung mit Ex-Premier Giuseppe Conte, seit 2018 stärkste Kraft im Parlament, erreichte 15,5 Prozent.
Schon im Wahlkampf hatte Meloni, deren Gruppierung eine der Nachfolgeparteien der von alten Faschisten nach dem Zweiten Weltkrieg gegründete Partei Movimento Sociale Italiano (MSI) ist, mildere Töne als früher angeschlagen und sich etwa für die Nato und eine Unterstützung der Ukraine ausgesprochen.
Auch am Montag berief sie sich auf den "Respekt, der die Basis für jedes demokratische System ist". Angesichts der besonders komplizierten Lage, in der sich Italien und die EU durch Energiekrise, Inflation und Ukraine-Krieg befinden, sei nun "die Hilfe aller" vonnöten. "Dies ist die Zeit der Verantwortung", erklärte Meloni an ihre Anhänger gewandt. In ihrer Siegesrede ging sie aber dennoch auch auf eines ihrer Kernthemen ein. Die Italiener sollen wieder "stolz darauf sein, Italiener zu sein und die Trikolore-Fahne schwingen", rief sie am Montagmorgen ins jubelnde Publikum.
Glückwünsche kamen unter anderem von Melonis Alliierten aus Frankreich und Ungarn. "Bravo, Giorgia!", schrieb der ungarische Premier Viktor Orban auf Facebook.
Viel hängt nun von Melonis italienischen Verbündeten, Matteo Salvini und dem 86 Jahre alten Berlusconi, ab. Deren Parteien, Lega und Forza Italia, sind für die Regierungsbildung notwendig. Für Salvini ist das Wahlergebnis allerdings eine herbe Niederlage - 2018 hatte die Lega noch etwa doppelt so viele Stimmen geholt. Vor allem bei den Stammwählern der Gruppierung in Norditalien schnitt Melonis Partei gut ab. In Venetien und der Lombardei holten die "Brüder Italiens" doppelt so viele Stimmen wie die Lega, in Friaul-Julisch-Venetien gar dreimal so viel.
Das Ergebnis nannte Salvini dementsprechend "nicht zufriedenstellend". Gleichzeitig fügte er hinzu: "Wir werden Protagonisten in der neuen Regierung sein und fünf Jahre regieren."
Auch die niedrige Wahlbeteiligung am Sonntag war ein Thema. Sie lag bei nur 64 Prozent und damit neun Prozent unter dem Wert von 2018. "Wir befinden uns bereits in einer postpopulistischen Phase, in der ein Teil der Wählerschaft auch nicht mehr an die Ankündigungen des Populismus glaubt", meint Politologin Sofia Vendura. Seit der letzten Parlamentswahl in Italien 2018 lösten sich in Rom drei Regierungen ab, die alle nur etwas länger als ein Jahr hielten. Der Glaube an die Politik ist in Italien an einem Tiefpunkt angekommen. Meloni muss das Land nun in schwierigen Zeiten führen. Energiekrise, Inflation und der Krieg in der Ukraine sind dabei die größten Herausforderungen.