Gedanken an ein Scheitern gelten sogar (oder vor allem?) unter durchschnittlich begabten Politikern als Tabu. Das sollte sich ändern.
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Weil sämtliche Parteien bereits beim Aufwärmen für den kommenden Wahlkampf sind, kann es nicht schaden, die Sache gleich auch einmal radikal zu Ende zu denken. Jenseitsverliebte - und im klassischen Latein nicht wirklich sattelfeste - mittelalterliche Mönche haben in diesem Zusammenhang von memento mori gesprochen, von der Notwendigkeit also, sich der eigenen Vergänglichkeit bewusst zu sein.
Das ist natürlich für aktive Politiker leichter gesagt als getan. Die Namen all jener Spitzenkräfte, die auf gar keinem Fall als Versorgungsfälle für die eigene Gesinnungsgemeinschaft enden wollten und es dann doch taten, sind Legion. Die zwangsläufige Folge sind allerlei unwürdige Verrenkungen, die schnell vom Tragisch-Komischen ins Peinliche abdriften. Wie man es besser nicht macht, das exerzieren gerade die Kärntner Freiheitlichen vor, wo insbesondere Gerhard Dörfler mit sinnbefreiten rhetorischen Pirouetten glänzt.
Um nicht missverstanden zu werden: Es ist völlig legitim, dass abgewählte Politiker einen Schritt zurück machen und - sei es im Nationalrat, im Bundesrat oder Landtag - ihre Karriere ausklingen lassen. Diese Herabstufung ist die logische Konsequenz, die aus der Entscheidung für das Berufspolitikertum resultiert. Und in den allermeisten Fällen sind vom Wähler (oder ihrer Partei) in die Wüste geschickte ehemalige Spitzenpolitiker auch eine Bereicherung für jedes politische Gremium. Man sollte nur vorher nicht großmaulig das Gegenteil von dem verkünden, was dann doch geschieht.
Gegen diese, wenn man so will, systemimmanente Normalität kämpfen Medien und politische Mitbewerber mit einer fast schon fundamentalistischen Vehemenz an, die ans Schizophrene grenzt: Auf die Abwahl hat auch die Vernichtung der bürgerlichen Existenz zu folgen, jedenfalls solange es keinen aus den eigenen Reihen trifft.
Eine andere Frage, über die sich das Nachdenken durchaus lohnen würde, ist, ob Österreichs Politik tatsächlich fast ausschließlich auf Berufspolitikern beruhen sollte, die bei ihrem Ausscheiden naturgemäß nur im (halb)staatlichen Bereich ein Ausgedinge finden können.
Politik verlangt nach Vollzeitprofis, keine Frage. Allerdings verführt Österreichs besondere Form des Kammern- und Verbändestaats samt den Vorfeldorganisationen der Partei dazu, dass viele politisch infizierte Junge in diesen Strukturen den Marsch durch die Institutionen antreten. Und solcherhand niemals das wirkliche Leben außerhalb dieser Strukturen aus eigener Erfahrung kennenlernen. Das ist in Einzelfällen keine Tragödie, als systemische Rahmenbedingung für Demokratie jedoch zweifellos ein gravierendes Defizit an praktischer Lebenserfahrung.
Vielleicht sollten die Masterminds der Nachwuchspflege in den Parteien künftig darauf achten, dass die
zu fördernden Talente nicht nur über eine abgeschlossene Ausbildung verfügen, sondern auch über ein Berufsleben außerhalb der (halb)staatlichen Strukturen. Man kann sich an jungen Menschen auch versündigen, indem man sie zu früh ins Scheinwerferlicht wirft.