Eine britische Wohltätigkeits-Gala entpuppte sich als Grapsch-Fest für reiche Geschäftsleute und Sponsoren.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
London. Eine Gala-Veranstaltung besonderer Art hat jetzt in London Schlagzeilen gemacht - aber nicht wegen des wohltätigen Zwecks, dem sie dienen sollte. Stattdessen löste der diesjährige Abend des "Presidents Club" im feinen Dorchester Hotel in Mayfair Zorn, Empörung und Rücktrittsforderungen aus. Im Unterhaus wurde eine Sonderdebatte anberaumt, und selbst die Regierungschefin musste sich äußern.
Das Dorchester-Dinner vom vorigen Donnerstag für 360 betuchte Gäste aus Wirtschaft, Finanz, Politik und Showbusiness, bei dem zwei Millionen Pfund für hilfsbedürftige Kinder zusammenkamen, erwies sich nämlich als eine Veranstaltung, die allem Hohn sprach, was derzeit auch in England an Bemühungen zur Ausmerzung sexueller Übergriffe gegen Frauen läuft.
Als Gäste eingeladen waren nämlich ausschließlich Männer. 130 junge Frauen in schwarzen Miniröcken und obligatorisch schwarzer Unterwäsche stellten wiederum die Bedienung im Saal - und bei der "Party danach". Die als "Hostessen" angeheuerten Serviererinnen waren angehalten worden, sich "sexy" zu geben und "lästige Gäste" notfalls einfach "in Kauf zu nehmen".
Alle mussten vor der Veranstaltung eine Schweigeklausel unterschreiben, damit von dieser 33. Wohltätigkeits-Gala des "Presidents Club" nichts an die Öffentlichkeit drang. Mobiltelefone wurden abgenommen.
Der Plan ging allerdings nicht auf - weil zwei Mitarbeiterinnen der Zeitung "Financial Times" (FT) als Hostessen Zugang zu der Veranstaltung fanden und nun groß über die Vorgänge berichteten. FT-Reporterin Madison Marriage erklärte, während der sechs Stunden beim Charity-Dinner und bei der After-Dinner-Party im Nebensaal seien viele der jungen Frauen, die sich beim Servieren schlicht ein Zubrot verdienen wollten, "begrapscht und lüstern angequatscht" worden: "Manche Hostessen berichteten, dass Männer ihnen immer wieder die Hand unter dem Rock hochschoben. Eine sagte, ein Gast hätte im Laufe des Abends seinen Penis vor ihr entblößt."
Unter Rücktrittsdruck
Auch sie selbst sei wiederholt und überall betatscht worden, meldete die FT-Journalistin. Teilnehmer an der Gala hätten sich Bedienungen auf den Schoß gesetzt oder sie zu sich aufs Hotelzimmer eingeladen. Alle Frauen seien, auch von den Veranstaltern, zum Trinken animiert worden. Zu einer Serviererin sagte ein Gast offenbar, sie sei "ja viel zu nüchtern".
Eine der schockierten Frauen wurde gefragt, ob sie eine Prostituierte sei. Eine andere erklärte hinterher, sie sei ja von solchen Veranstaltungen gewöhnt, dass Männer "zu flirten" versuchten. Diesmal aber sei ihr "regelrecht angst" geworden.
Schon zu Beginn des Abends mussten die Frauen in Zweierreihen auf der Bühne aufmarschieren und sich den Männern im Saal präsentieren, bevor sie mit dem Servieren beginnen konnten. Ein prominenter Sportmoderator, der den Entertainer spielte, hieß die Gäste willkommen zum "politisch unkorrektesten Ereignis dieses Jahres" in der Themsestadt.
Wie die Reporterinnen weiter berichteten, gehörten zu den Preisen, die für Top-Spenden ausgesetzt waren, außer einem Lunch-Termin mit Boris Johnson unter anderem auch eine Nacht im Soho-Stripklub "The Windmill" sowie ein Gutschein für eine Schönheitsoperation mit dem Slogan "Mach deine Frau wieder scharf".
"Total überrascht" zeigten sich nach der Enthüllung am Mittwoch die Veranstalter des Abends und prominente Gäste, die von all dem nichts gewusst haben wollten. Das Dorchester Hotel, zutiefst besorgt um seinen Ruf, erklärte sich schnell zu "jeglicher Mitarbeit mit den Behörden" bereit.
Das Kinderkrankenhaus Great Ormond Street, ein Haupt-Nutznießer der Wohltätigkeitsveranstaltung, erklärte, es überweise das Geld aus der Spendensammlung umgehend zurück. Auch im politischen Bereich löste der Vorfall heftige Reaktionen aus.
Einer der beiden Veranstalter des Abends, der Geschäftsmann David Meller, musste von seinem Nebenjob als Ministerialdirektor im Bildungsministerium zurücktreten. Bei der Sonderdebatte im Unterhaus kam auch Bildungs-Staatssekretär Nadhim Zahawi unter Rücktrittsdruck, der an der Gala teilgenommen hatte. Zahawi ist im Bildungsressort zuständig für Kinder- und Familienpolitik. Er erklärte, er sei an dem Abend "nur kurz" da gewesen und habe nichts Anstößiges bemerkt. Der Parlamentsdebatte, auf der er sich hätte rechtfertigen sollen, hielt er sich aber vorsichtshalber fern.