Regierung soll Ausnahmezustand aufheben und Gefangene freilassen. | Bald neues Übergangskabinett? | Kairo. Den Tagen des Zorns folgte in Ägypten der "Freitag des Sieges": Genau eine Woche nach dem Rücktritt von Diktator Hosni Mubarak feiert die erfolgreiche Demokratiebewegung sich selbst. Treffpunkt der Revolutionäre war - wie immer während der landesweiten Demonstrationen gegen das Mubarak-Regime - der Tahrir-Platz in Kairo.
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Millionen strömten nach dem Freitagsgebet zu dem riesigen Platz, auch die umliegenden Straßen waren voll von Menschen. Die Atmosphäre war entspannt und friedlich: Die Menschen sangen zu den Klängen einer Band der Armee, schwenkten von Soldaten ausgegebene Landesflaggen und riefen: "Armee und Volk sind eins!"
Die konstruktive Rolle der Militärs überraschte auch Kenner des Landes, wie Cengiz Günay, Ägypten-Experte am Österreichischen Institut für internationale Politik. Er hofft im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" darauf, dass sich die jetzt anbahnende Entwicklung - so wurden kürzlich vier Mubarak-Vertraute, drei ehemalige Minister und ein Stahlunternehmer, wegen Verdachts auf Geldwäsche in Untersuchungshaft genommen - wirklich einen tiefgehenden Wandel darstellt und die Minister nicht bloß als "Bauernopfer" der Machthaber herhalten mussten. Einer der für 15 Tage Inhaftierten, Habib el Adli, leitete als Innenminister immerhin die berüchtigte Polizei.
Die Massen konnten auch zeigen, dass sie "jederzeit wieder auf die Straße gehen können", wie es ein Teilnehmer formulierte. Trotz aller euphorischer Fraternisierung mit der Armee, die jetzt in Ägypten die Führung innehat, wollen die Demonstranten den Druck auf das Militär aufrechterhalten. Sie demonstrierten für zügigere Reformen und skandierten: "Weg mit der Regierung! Weg mit dem Ausnahmezustand!" Der herrschende Militärrat hatte die letzte, noch von Mubarak ernannte zivile Regierung vorerst im Amt belassen. Die Demokratiebewegung verlangt eine vom alten Regime unabhängige Übergangsregierung, die Aufhebung des jahrzehntelangen Ausnahmezustands und die Freilassung politischer Gefangener. Am Sonntag oder Montag soll Premier Ahmed Shafiq, so heißt es aus Sicherheitskreisen, ein neues Kabinett präsentieren.
Sprung ins Ungewisse
Dann beginnen die Mühen der Ebene: "Mubarak hat die Opposition jahrzehntelang derart scharf unterdrückt, dass extrem schwer auszumachen ist, wer bei freien Wahlen wirklich ans Ruder kommt. Auch die Muslimbrüder wissen ja nicht einmal, ob sie als Partei antreten werden. Falls doch, riskieren sie bei ihrer Führung, die in verschiedene Richtungen und Generationen gespalten ist, den Verlust ihrer Einheit", sagt Politologe Günay. Probleme sieht der Ägypten-Kenner vor allem darin, dass bei vielen Menschen mit dem Wort "Demokratie" überzogene Erwartungen an ein Leben in Wohlstand und ohne Korruption einhergehen, das sich auf Knopfdruck nicht herstellen lässt. Aber: "Freie Wahlen und Gewaltenteilung - da gibt es einen breiten Konsens", so Günay.