Warum Großmütter beim Überleben hilfreich sind.
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Exeter/Wien. Lediglich drei Spezies auf der Welt durchleben die Menopause - also jene Zeit, in der die Möglichkeit der Fortpflanzung schwindet. Neben dem Menschen sind das der Grindwal und der Killerwal. Nach dem Ende ihrer Reproduktionsfähigkeit leben sie für gewöhnlich noch Jahrzehnte weiter. Den Grund für den Eintritt dieser Zeit sehen Wissenschafter um Darren Croft von der University of Exeter in einem Konflikt zwischen Müttern und Töchtern, wie sie nun an Killerwalen herausgefunden haben.
Weibliche Orcas sind etwa ab dem 15. Lebensjahr fruchtbar, die Menopause tritt zwischen 30 und 40 ein. Hingegen können sie ein Lebensalter von mehr als 90 Jahren erreichen. Diese Kalkulation trifft in etwa auch auf den Menschen zu, der für gewöhnlich allerdings erst nach dem 40. Lebensjahr in die Menopause eintritt. Menschen und Wale verbindet auch eine weitere Gemeinsamkeit: Sie verhalten sich, was ihren Nachwuchs anbelangt, besonders kooperativ.
Überleben durch Großmütter
Eine große Rolle kommt dabei älteren Müttern und Großmüttern zu. Bei den Orcas helfen sie jüngeren Familien bei der Futtersuche und dabei, in mageren Zeiten zu überleben. Evolutionär gesehen macht das offenbar auch Sinn. Denn die Forscher haben beobachtet, dass der Nachwuchs älterer Tiere wesentlich häufiger stirbt als jener der Jungen.
Diese Tatsache ähnelt jenem Risiko, dem sich Menschen aussetzen, wenn sie in höherem Alter Kinder zur Welt bringen wollen. Denn sowohl Eizellen als auch Samenzellen büßen mit den Jahren an Qualität ein. Beim Mann besteht die Möglichkeit der Fortpflanzung zwar bis ins Alter, bei Frauen hingegen ist die Zahl der Eizellen, die sie im Laufe ihres Lebens produzieren, schon zum Zeitpunkt ihrer eigenen Geburt festgelegt. In der Produktionskette dieser Eizellen reifen jene mit der höchsten Qualität etwa bis zum 30. Lebensjahr heran. Bis dahin bestehen die besten Voraussetzungen, um gesunde Kinder in die Welt zu setzen. Danach nimmt diese Chance sukzessive ab.
Unter diesen Umständen scheint es sinnvoll, dass sich die Reproduktionsfähigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt ganz einstellt. Der tatsächliche Grund dafür dürfte aber weder darin noch in der nötigen Kooperationstätigkeit älterer Erwachsener liegen, wie die Forscher im Fachblatt "Current Biology" betonen.
Der Eintritt der Menopause scheint vielmehr der "Reproductive Conflict"-Hypothese zugrunde zu liegen. Gemäß dieser ergibt sich, dass sich, wie beim Menschen seit jeher zu beobachten ist, eher Gleichaltrige zu sozialen Gruppen zusammenschließen. Im Gegensatz dazu investieren Junge ihre Kraft in die Wettbewerbsanstrengung, sich zu vermehren. Die Forscher vermuteten, dass diese Entwicklung auch bei den Killerwalen zutreffen könnte.
Leben in Generationen
Um diese Hypothese zu testen, griffen die Wissenschafter auf einen einzigartigen, 43 Jahre umfassenden Datensatz von wilden Orcas zurück. Die empirischen Daten bestätigten, dass sich auch diese Tiere generationengetreu in Gruppen zusammenschließen. Dieses dadurch entstehende Ungleichgewicht zwischen den Generationen würde bedeuten, dass, wenn ältere und jüngere Weibchen gleichzeitig Junge bekämen, die Selektion zugunsten der Jüngeren gehen würde. Daher sei es für die Älteren besser, nicht mit den jüngeren Müttern und Großmüttern in einen Wettbewerb zu treten, sondern mit ihnen zu kooperieren, betonen die Forscher.
"In Wahrheit ist die Menopause also kein Unfall", betont Darren Croft, "sondern eine sich herausgebildete Eigenschaft, die infolge von Kooperation, aber auch Konflikten in Familiengruppen zustande kommt." Diese Erkenntnisse könnten erklären, welche Faktoren zum Überleben und zu gelungenem Nachwuchs beitragen. Für den Southern Resident Killerwal könnte diese Information Überlebensfrage sein - er ist immerhin als besonders gefährdet und vom Aussterben bedroht gelistet.