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Menschen mit Hang zur Mission

Von Walter Hämmerle

Analysen

Journalisten und Politiker haben mehr gemeinsam als beiden lieb sein kann. Immerhin zeichnen sich beide Berufsgruppen durch Menschen mit ausgeprägtem Hang zum Missionarismus aus. Die Überzeugung, es besser als der ganze Rest - zumindest aber als die jeweils anderen - zu wissen, gehört dabei zwingend zum Berufsbild. Die Politiker haben allerdings den Nachteil, dass sie im Fall des Falles den Tatsachenbeweis antreten müssen - sehr zur Schadenfreude der Journalisten.


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Die Rache der Politiker besteht nun offensichtlich darin, dass sie mit Vorliebe Journalisten in die Politik locken. Schleierhaft nur, warum so viele Journalisten freudig ja sagen. Der Reiz der Macht kann es als Hinterbänkler in Österreich ja nicht wirklich sein.

Zumindest eines aber lässt sich nicht bestreiten: Der Unterhaltungswert von Politik ist seit ihrer Unterwanderung durch Medienmenschen zweifelsfrei gestiegen. Bestes lebendes Beispiel: Hans-Peter Martin. Ihn muss man nur mit einem SPÖler zusammenspannen, und schon kann die Show beginnen. Das zeigte sich auch Mittwochabend, als die Fachhochschule Wien zur Podiumsdiskussion unter dem Motto "Journalisten - die besseren Politiker?" lud.

"Lieber Hans-Peter, Dein Erlöser-Fimmel ist schwer auszuhalten", beschied da SPÖ-Kommunikationschef Josef "Joe" Kalina dem nicht unumstrittenen EU-Abgeordneten, als sich der zum Retter Österreichs vor Blau-Orange stilisieren wollte. Kalina, der sich zwischenzeitlich bei der "Kronen Zeitung" verdingte, muss es wissen, schließlich gehörte er zum Team, das Martin 1999 zum SPÖ-Spitzenkandidaten machte.

Klar wurde an diesem Abend auch, dass das Antreten des selbsternannten EU-Aufdeckers bei den kommenden Nationalratswahlen so gut wie fix ist. Martin will bereits über die notwendigen Kandidaten verfügen. Sogar die Unterstützung von Rot-Grün kann er sich vorstellen. Und auch Kalina wollte sich einer Zusammenarbeit nach den Wahlen nicht grundsätzlich verschließen.

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Szenenwechsel zur laufenden ORF-Debatte - obwohl ja die heimische Rundfunkanstalt ohnehin das zentrale Bindeglied zwischen Journalisten und Politik in jedwedem Sinne darstellt.

Die "Wiener Zeitung" versucht seit einigen Tagen hartnäckig, aber bislang leider vergeblich, eine Diskussion zwischen Werner Mück, seines Zeichens heftig umstrittener TV-Chefredakteur, und Vertretern der Internet-Initiative "SOS ORF" auf die Beine zu stellen. Interessanterweise scheitert dieses Unterfangen nicht am derzeit liebsten ORF-Feindbild, der eine prinzipielle Gesprächsbereitschaft zusagte, sondern an der Medienscheu der Initiatoren. Sollte sich daran doch noch etwas ändern, lesen Sie es in der "Wiener Zeitung" . . .