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Am kommenden Freitag, dem 19. November, jährt sich zum zehnten Mal das Datum der Konstituierenden Sitzung des Komitees zur Verhütung unmenschlicher und erniedrigender Behandlung von Personen, | denen durch obrigkeitliche Anordnung die Freiheit entzogen wurde.
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Dem Komitee gehört je ein Mitglied aus allen europäischen Mitgliedsstaaten an; diese Mitglieder setzen sich interdisziplinär aus Wissenschaftern aller einschlägigen Fachbereiche, insbesondere aus
hochrangigen Menschenrechtsexperten, Strafrechtlern, Pönologen, Medizinern, Psychiatern und Viktimologen zusammen.
Dem 10-jährigen Bestehen des Komitees ist am 19. November eine Festveranstaltung des Europarates gewidmet, an der hochrangige Sprecher und Repräsentanten aus ganz Europa teilnehmen werden mit dem
Ziel, weltweit Signale zu setzen.
Dem Menschenrechts-Gerichtshof gleichwertig
Das CPT wurde am 19. November 1989 als dem Gerichtshof für Menschenrechte gleichwertiges supranationales Organ des Europarates kreiert, dem ich ab dessen Konstituierung durch 8 Jahre angehört
habe. Nach Ablauf meines Mandates wurde zum Österreichischen Mitglied des Komitees Prof. Dr. Renate Kicker bestellt.
Überraschende Visitationen in allen Staaten Europas
Das CPT hat im ersten Dezennium seiner Tätigkeit in allen Staaten Europas überraschende Visitationen durchgeführt, so auch dreimal in Österreich, um die Anhaltungsbedingungen kritisch zu
untersuchen. Daran schlossen sich befristete Empfehlungen, die in Österreich eine Mehrzahl von Reformen bewirkten, zuletzt durch Schaffung eines Menschenrechtsbeirates im Bundesministerium für
Inneres.
Für die Wahrung der Menschenwürde Verhafteter
Das Case-law des CPT wurde schwerpunktmäßig, in Jahresberichten zusammengefasst, publiziert. Das CPT schuf dadurch für ganz Europa einen Cordon Sanitaire zur Wahrung der Würde des Menschen auch
als Verhafteter und Angehaltener.
Eine seit Wochen laufende spektakuläre Medienberichterstattung über die unter Anwendung von Handschellen erfolgte Verhaftung eines 11jährigen Kindes und dessen wochenlange Anhaltung zuerst im
Gefängnis mit Vorführung des Kindes mit Fußketten vor eine Richterin im Bundesstaat Colorado in den USA, fordert es heraus, dieses Vorgehen mit den Aussagen im 9. Jahresbericht des CPT vom 30. August
1999 über die Behandlung von Jugendlichen zu konfrontieren.
Das CPT verweist in diesem Jahresbericht, vor Eingehen auf Details, welche Sicherheiten für Jugendliche gewährleistet sein müssen, grundsätzlich darauf, dass Jugendliche, gleichgültig was auch immer
Anlass ihrer Anhaltung ist, an sich in besonderem Maße durch eine gravierende Verletzbarkeit ihrer Psyche gefährdet sind. Demzufolge sei mit besonderer Sensibilität jede Maßnahme im Hinblick auf die
Auswirkungen für das physische und psychische Wohl eines Jugendlichen abzuwägen. Dabei seien die Schutzbestimmungen der UNO-Konvention über die Rechte eines Kindes von 1989, die Mindestregeln für
Jugendgerichte von Beijing von 1985 und die Richtlinien der UNO für straffällige Jugendliche von Riyadh von 1990 besonders wichtig.
Mit Mindeststandard unvereinbares Vorgehen
Auch wenn die USA diesen Verträgen nicht beigetreten und der Europäischen Antifolterkonvention nicht unterworfen sind, ist festzustellen, dass eine das Verhältnismäßigkeitsgebot missachtende
Gleichbehandlung von Erwachsenen und Kindern mit dem Mindeststandard eines Rechtsstaates unvereinbar ist.
Handschellen für Kind sind unmenschlich
Als unmenschliches Verhalten ist insbesondere das Anlegen von Handschellen bei Kindern zu werten, wenn schon die körperliche Überlegenheit der einschreitenden Polizeiorgane ausreichend ist, um
sich des Kindes zu versichern.
US-Behörden gingen nicht rechtsstaatlich vor
Die Achtung der Bedeutung des CPT und der Arbeit seiner Mitglieder gegen unmenschliches und erniedrigendes obrigkeitliches Verhalten gebietet es, dann, wenn in den USA, die sich traditionell für
die Menschenrechte weltweit einsetzen, ein 11jähriges Kind zur Nachtzeit mit Handfesseln aus dem Elternhaus in ein Gefängnis gebracht und in Fußketten dem Richter vorgeführt wird, das 10jährige
Jubiläum des CPT nicht vorbeigehen zu lassen, ohne klar festzustellen, dass ein solches behördliches Vorgehen mit der Würde eines Rechtsstaates unvereinbar ist.
Keineswegs ein singulärer Anlassfall
Der Verfasser fühlt sich zu diesem kritischen Statement veranlasst, sowohl in Hinblick auf die hohe Autorität des CPT, dem er als Konstituierendes Mitglied angehörte, als auch · trotzdem und
gerade · weil der keineswegs singuläre Anlassfall in den Europa rechtsstaatlich eng verbundenen USA Ausdruck eines in den Vereinigten Staaten herrschenden und zu grundsätzlichen wissenschaftlichen
Erkenntnissen im Widerspruch stehenden rechtspolitischen Präventivkonzepts zu sein scheint.
Die notwendige Globalisierung der Menschenrechte darf nicht, aus welchen Gründen immer, gerade zu Lasten von Kindern desavouiert werden.
Prof. Dr. Rudolf Machacek, Österreichisches Konstituierendes CPT-Mitglied, war Jahrzehnte hindurch Mitglied des Verfassungsgerichtshofes und ist derzeit Rechtsschutzbeauftragter (zur Überwachung
des Lausch- und Spähangriffes).