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Merkel - Allein zu Haus

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Frankreichs wirtschaftliche Probleme, die Kalamitäten Italiens und Spaniens, sowie die selbstgewählte Außenreiterrolle Großbritanniens machen Deutschland immer stärker. In Wahrheit trägt die größte Volkswirtschaft der EU mittlerweile die ganze Union. Ohne die Kraft des deutschen Budgets und der Deutschen Bundesbank wären die Euro-Rettungsmaßnahmen nie darzustellen.

Trotzdem (oder deswegen) wird Deutschland politisch immer stärker isoliert. Das liegt zum einen an den schwächeren Ländern, die auch gerne stark wären. Das liegt zum anderen aber auch daran, dass die deutsche Innenpolitik immer deutlicher die europäische Politik beeinflusst. Die Rücksicht Merkels auf den Koalitionspartner FDP hat die Griechenland-Maßnahmen verzögert. Wahlen in großen deutschen Bundesländern bringen Brüssel zum Stillstand.

Das ist - neben den wirtschaftlichen Ungleichgewichten - eines der gegenwärtigen Hauptprobleme der EU. Wenn nun auch noch der deutsche Finanzminister die Euro-Gruppe anführt, wird dies noch sichtbarer.

Für die nationalen Befindlichkeiten folgende EU ist das unerträglich. Von den 27 Mitgliedsländern haben 19 maximal elf Millionen Einwohner. Diese 19 Länder, zu denen auch Österreich gehört, vereinen etwa 20 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung auf sich. Das macht Deutschland alleine.

Wenn sich also nun die EU-Institutionen aufmachen, um das lähmende Einstimmigkeits-Prinzip aufzuweichen, muss sorgfältig darauf geachtet werden, dass Deutschland mit seinem Gewicht nicht den Rest dominiert. Die EU darf nicht in eine Region umgewandelt werden, in der Deutschland 26 (und ab 2013) 27 neue Bundesländer erhält. Der Fiskalpakt und das deutsche Beharren auf unbedingte Preisstabilität gehen aber in diese Richtung. Der Widerstand dagegen ist einer der Gründe, warum Deutschlands Kanzlerin Merkel so heftig kritisiert wird.

Denn Europa lässt sich nicht mit deutschen Tugenden alleine bauen, es besteht aus vielen Baumateralien. Das ist für Deutschland hart zu nehmen. Der Spruch "wer zahlt, schafft an", gilt auch in der Politik. Doch ohne die 19 kleineren Länder wäre es mit der Herrlichkeit der deutschen Wirtschaft auch bald vorbei. Europäische Tugenden sollten daher zu weniger als 20 Prozent deutschen Ursprungs sein...