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Merkel, Milliarden und Migranten

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Die EU als Umerziehungslager für Staaten, die anderer Meinung als die Deutschen sind, das ist keine wirklich blendende Idee.


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Eine halbe Milliarde Euro geschenkt zu bekommen, ist grundsätzlich nicht wirklich unangenehm. Umso mehr, wenn der unverhoffte Geldsegen aus der Brüsseler EU-Zentrale kommt, die ja nicht immer ein Born ungetrübter Freude für die Steuerzahler jener Mitgliedstaaten ist, die als sogenannte Nettozahler den ganzen Laden finanzieren und dafür die eine oder andere Behelligung ihres Alltagslebens erfahren.

Tatsächlich plant die EU-Kommission, Österreichs Finanzminister 400 bis 500 Millionen Euro zu überweisen, als Ausgleich für die Kosten der Republik im Zusammenhang mit der Migrationskrise der vergangenen Jahre. Deutschland soll laut diesem Plan gar vier Milliarden Euro aus dem EU-Budget bekommen.

Das klingt auf den ersten Blick nicht unvernünftig, wirft bei näherer Betrachtung aber ein paar Probleme auf. Donald Trump etwa würde da zweifellos vom "schlechtesten Deal des Jahrhunderts" twittern. Tatsächlich liegen die Kosten der Migrationswelle der Jahre ab 2015 selbst nach konservativen Schätzungen für Österreich derzeit bei 2 bis 3 Milliarden Euro, und zwar pro Jahr. 400 Millionen sind in diesem Kontext ein eher überschaubarer Betrag.

Vor allem aber - doch das wird sich erst herausstellen, wenn die Details auf dem Tisch liegen - könnte sich die freundliche Zahlung letztlich doch als eine nur mühsam getarnte Züchtigungsrute erweisen, mit der unbotmäßige Staaten wie Polen oder Ungarn dafür bestraft werden sollen, dass sie sich erfrechten, keine Migranten aus der arabischen Welt auf ihrem Territorium dulden zu wollen.

Ursprünglich hatte die deutsche Kanzlerin ja gefordert, die Osteuropäer für diese Insubordination mit einem Entzug von Subventionen zu bestrafen. Die EU als Umerziehungscamp für renitente Andersdenkende, das mag Angela Merkels Interpretation des "Friedensprojektes Europa" sein, durchgesetzt hat sie sich damit freilich nicht, und das ist auch gut so. Dass jetzt also die Botmäßigen belohnt werden und nicht die Abweichler bestraft, klingt vorerst nach einem gewissen Lernprozess in Berlin.

Doch derzeit sieht es danach aus, als kämen die Ausgleichszahlungen für die Staaten, die 2015 ihre Grenzen für jeden öffneten, der herein wollte, aus jenen Fonds, mit denen bisher vor allem Ländern wie Polen oder Ungarn finanziell geholfen wurde, um nach Jahrzehnten kommunistischer Unterdrückung zum Westen aufschließen zu können. Und da Geld leider nicht der Bilokation fähig ist, fehlt es dann an anderer Stelle. Kommt das so, wäre die finanzielle Prügelstrafe für die unbotmäßigen Migrationsverweigerer sozusagen durch die Hintertür wiedereingeführt.

Das Grundproblem wird so sicher nicht gelöst werden: dass viele Menschen einfach nicht wollen, dass bestimmte Migranten gegen ihren Willen zwangsweise über eine Quote bei ihnen angesiedelt werden, wie das der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn erst dieser Tage in Wien wieder angedeutet hat, obwohl dieses Vorhaben politisch praktisch tot ist.

Eine Europäische Union, die das nicht endlich ausdrücklich akzeptiert, spielt letztlich all jenen in die Hände, nicht zuletzt im Osten Europas, die "Brüssel" als neues "Moskau" mit besserem Rotweinangebot verunglimpfen wollen.