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Merkel muss Kritiker besänftigen

Von WZ Online

Europaarchiv

Agieren der Koalition im Mittelpunkt der Kritik. | Berlin. Die CDU steckt derzeit in ihrer wohl schwersten Krise seit der Affäre um die schwarzen Kassen und Helmut Kohl. Die Umfragewerte sacken immer weiter ab, selbst die sonst stets beliebte Kanzlerin Angela Merkel wird immer kritischer beurteilt.


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Angesichts der deftigen koalitionsinternen Streitereien schließen auch Unions- und FDP-Politiker ein vorzeitiges Scheitern ihres Bündnisses nicht mehr aus. Am Samstag stellte sich Merkel der zum Teil heftigen und offenen Kritik von rund 160 CDU-Kreisvorsitzenden in Berlin.

Einige von ihnen machten ihrem Unmut Luft, erklärten, dass sie sich für die Umgangsformen und das Durcheinander in der Koalition schämten, dass sie ein Vertrauensproblem hätten, das Sparpaket und auch die Steuerermäßigungen für Hoteliers ungerecht fänden. Es herrsche ein Gefühl vor, dass die Verantwortlichen in Berlin zerstörten, "was wir an der Basis leisten", monierte etwa der Düsseldorfer Landtagsabgeordnete Jens Petersen - und Merkel saß mit versteinerter Miene auf dem Podium des Konrad-Adenauer-Hauses und hörte zu.

Er habe die Bitte, dass durch kluge Führung "von mehreren" Geschlossenheit erreicht werde. Dazu gehöre auch, dass schwierige Dinge wie das Sparpaket "klug verkauft" würden. Die Berliner Parteispitze möge dafür sorgen, dass CDU-Politik in Deutschland auch wieder Spaß mache, forderte Petersen - und hatte dabei noch nicht einmal das unglückliche Agieren der Union bei der Wahl des Kandidaten für das Bundespräsidentenamt oder die verunglückte Debatte über die Wehrpflicht erwähnt.

Merkel versuchte zu schlichten. Die Unzufriedenheit am Erscheinungsbild könne sie gut verstehen. Sie versuche, "den Prozess in Berlin" zu verbessern. "Bürgerliche Parteien müssen bürgerliche Umgangsformen finden", meinte sie. Elf Jahre habe man auf ein schwarz-gelbes Bündnis warten müssen. Vielleicht sei es nun nach dieser langen Zeit "ein bisschen schwierig, zusammenzufinden", startete sie einen Erklärungsversuch, um dann unter dem Beifall der Kreisvorsitzenden hinzuzufügen: "Wenn wir diesen Auftrag nicht vernünftig erfüllen, wäre das ein Treppenwitz der Geschichte."

In einer Koalition sei es nie so, dass man CDU pur bekomme, erklärte Merkel. "Aber wenn wir nicht mehr die Kraft haben, die unterschiedlichen Interessen zu bündeln und gemeinsam zu tragen, dann werden wir die Menschen im Land nicht überzeugen."

Merkel verwies darauf, man lebe derzeit "in einer sehr, sehr ernsten Zeit". Es müsse besser gelingen, wenn eine Regierung Entscheidungen getroffen habe, "das voll zu vertreten", fügte sie mit Blick auf die Streitereien um das Sparpaket hinzu.

Die umstrittene Steuerermäßigung für Hotels verteidigte Merkel. Es sei nun einmal so gewesen, dass es ein "Herzensanliegen" von CSU und FDP gewesen sei und aus der dritten Partei kein großer Widerstand dagewesen sei. Ihre eigene Priorität sei es nicht gewesen, fügte sie hinzu. Nun habe es aber keinen Sinn mehr, monatelang über die getroffene Entscheidung zu jammern.

Auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe räumte ein, er sei der Auffassung, so wie in den letzten Wochen könne es nicht weitergehen. "Die Stimmung, die uns entgegenschallt, ist ein Alarmsignal." Die Beschimpfungen müssten aufhören, damit das Erscheinungsbild der Koalition besser werde. Dazu gehöre auch, den Kompass in stürmischer See zu überprüfen.

Nach den jüngsten Umfragen befindet sich die Regierung knapp acht Monate nach Amtsantritt im Tief und wird sogar von Rot-Grün überflügelt. Die Unionsparteien würden laut ZDF-Politbarometer nur noch 33 Prozent erzielen - den schlechtesten Wert seit Oktober 2006. Mit den Liberalen käme man nur noch auf 38 Prozent. Rot-Grün dagegen könnte momentan auf 46 Prozent erzielen.(apn)