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Merkel: Obamas Menetekel

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Dr. Doom rides again. "Wer den Griechen den Stecker zieht, provoziert den totalen Zusammenbruch der Eurozone", erklärt der für seine Untergangsprognosen zugleich bewunderte und gefürchtete US-Ökonom Nouriel Roubini. Und glaubt man seinem nicht minder prominenten Kollegen Paul Krugman, so bedarf es offensichtlich einer "Mega-Katastrophe", um die EU-Politiker zum zielgerichteten Handeln zu zwingen.

Mit solchen Männern lassen sich trefflich Schlagzeilen hämmern. Und sage jetzt keiner, den Frauen würde die hierfür nötige dramatische Ader fehlen. Christine Lagarde, französische Chefin des Internationalen Währungsfonds, rüttelte mit der Botschaft, Europa blieben "weniger als drei Monate", um den Euro zu retten, die Öffentlichkeit auf.

Sagen wir es so: Die Meldungslage war auch schon entspannter, obwohl Meldungen vom Ableben des Euro übertrieben sind. Zumindest bis Redaktionsschluss.

Die leidenschaftliche Anteilnahme der USA am Schicksal der Eurozone ist allerdings nur teilweise rein wirtschaftlich begründet. Bessere Wachstumsraten wirken sich allenfalls marginal auf die US-Wirtschaft aus, ein Zusammenbruch der Eurozone würde allerdings auch die Finanzbranche jenseits des großen Teichs in neuerliche schwere Turbulenzen stürzen.

Und dann herrscht schließlich noch Wahlkampf in und um Washington. Als "einzigen ‚Swing State‘, der wirklich zählt" bezeichnete der renommierte US-Journalist David Frum kürzlich Deutschland unter Angela Merkel. Die Kanzlerin in Berlin verfüge über die Macht, mit ihrem Nein die Wiederwahl Barack Obamas zu verhindern. Es schwingt also auch immer eine gehörige Portion Wahlkampf an der Heimatfront mit, wenn die USA die Krisenpolitik Europas vernichtend kritisieren. Obama benötigt in der Auseinandersetzung mit den Republikanern und Mitt Romney Ruhe an der Euro-Front, und dies möglichst rasch. Die Kosten und ihre Bedienung brauchen ihn nicht zu plagen.

Wer hätte das bis vor wenigen Jahren zu denken gewagt: Die Wiederwahl des mächtigsten Mannes der Welt hängt von den wirtschaftspolitischen Entscheidungen einer Pastorentochter aus der ehemaligen DDR ab. Wenn es nicht um die Zukunft des eigenen Geldes ginge, wäre dies eigentlich ein wunderbares Sinnbild dafür, wie sich Macht im 21. Jahrhundert verästelt hat.