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Merkel stutzt deutschen Sozialstaat

Von Konstanze Walther

Wirtschaft

Deutsches Sparpaket soll 80 Milliarden Euro bis 2014 einbringen. | Höhere Ausgaben für Bildung und Forschung.


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Nach einer zweitägigen Marathonsitzung, einer nach hinten verlegten Pressekonferenz und Dutzenden Einzelgesprächen der Kanzlerin mit den Ministern war es soweit. Die Regierung in Berlin präsentierte die Grundzüge des größten Sparpakets der bundesdeutschen Geschichte. Detailliert ausformuliert ist noch nichts, doch der Kurs ist vorgegeben: Es soll weder Steuererhöhungen geben noch wird das Pensionsalter heraufgesetzt..

Dafür wird der Rotstift vor allem im Bereich der Sozialleistungen angesetzt - die Vergabe bisheriger Pflichtleistungen soll teilweise in den Ermessensbereich der jeweiligen Behörde abwandern. Das von Kanzlerin Angela Merkel bei der Präsentation genannte Beispiel: Die Bundesagentur für Arbeit kann selbst entscheiden, ob es Sinn hat, Sozialleistungsempfänger in Förderprogramme und Umschulungen aufzunehmen oder nicht.

Deutschland will 2011 die Verpflichtungen des Staats um 11 Milliarden Euro leichter machen. 2012 sollen es 17 Milliarden sein - bis hin zum letzten Jahr des Budgetgesetzes 2014, in dem 32,4 Milliarden eingespart werden sollen. Insgesamt sollen es 80 Milliarden Euro sein, die eingespart werden. Dazu wird Berlin durch die 2009 verabschiedete Schuldenbremse im Grundgesetz gezwungen, die eine Neuaufnahme von Krediten de facto verbietet.

Die grob umrissenen Pläne:

Die Erleichterung im Energiesteuerbereich für die Industrie wird abgeschafft. Allein 2,1 Milliarden Euro im Jahr kostet die subventionierte Ermäßigung der Energie für das produzierende Gewerbe. Hinzu kommt der Spitzenausgleich für stromintensive Betriebe, den sich der Bund bisher 1,8 Milliarden Euro im Jahr kosten ließ. Daneben soll es laut Merkel eine CO2-Abgabe geben - in Österreich wird diese seit März 2010 diskutiert. Darunter fällt für Merkel jedenfalls eine Abgabe für den Flugverkehr. Zudem greift die Regierung einen Vorschlag der oppositionellen SPD auf und plant eine Steuer auf die Brennelemente von Kernkraftwerken - zumindest bei jenen, deren Laufzeit verlängert wird.

Die Deutsche Bahn soll künftig einen Teil ihrer Dividende an den Bundeshaushalt ausschütten - die Bahn macht unter anderem deswegen Gewinn, weil sie (anders als die ÖBB) nicht für ihre Infrastruktur aufkommen muss.

Der Bankensektor muss ebenfalls seinen Teil schultern, meint Merkel und verweist auf die Finanztransaktionssteuer oder die Bankenabgabe. Doch hier ist bisher nur bekannt, dass sich Deutschland europaweit dafür starkmachen will, ein Alleingang scheint unwahrscheinlich.

Im sozialen Bereich soll es zu starken Einschnitten kommen. Die Pflichtleistungen sollen gesenkt werden, dafür wird es Zuschläge im Ermessen der auszahlenden Institution geben. Arbeitsvermittlungsprogramme sollen treffsicherer erfolgen.

Die Leistungen für Arbeitslose sollen - nach einem Mehraufwand in der Rezession, wieder auf das Niveau von 2006 gesenkt werden.

Das Elterngeld soll zum Teil gekürzt werden - für Hartz IV-Empfänger (Sozialhilfeempfänger) und für Personen der oberen Einkommensschichten. Das ist der einzige Punkt, in dem Berlin mit dieser Reform gutverdienende Arbeitnehmer belasten möchte.

Vizekanzler Guido Westerwelle von der FDP hat sich im Vorfeld, sehr zum Unmut einiger Personen aus der Kanzlerpartei, wiederholt gegen eine Anhebung von Steuersätzen ausgesprochen. Die Anhebung des Spitzensteuersatzes sowie eine Steuer auf Vermögen sind damit vom Tisch.

Auch die Mehrwertsteuer sowie ihre verschiedenen Vergünstigungen (für Nahrung, Kultur und Zeitungen) wird nicht angehoben.

Die Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung sollen noch heuer angehoben werden.

Daneben prüft die deutsche Bundeswehr eine große Reform und sucht mit der Lupe nach Einsparungspotenzial - in welcher Form, ist noch nicht bekannt.

"Es hat Stimmen gegeben, die dafür plädiert haben, auch im Bildungs- und Forschungsbereich zu sparen", spielt Westerwelle vor Journalisten auf den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch an, der kürzlich seinen Rücktritt bekanntgegeben hat. "Aber da würden wir den Ast absägen, auf dem unser Wohlstand ruht", so der Vizekanzler. In dieser Legislaturperiode werden man dagegen um 12 Milliarden Euro mehr als bisher in diesen Bereich investieren.