Opposition fordert schnellen Ausstieg aus der Atomkraft. | 45-Kilometer-Menschenkette in Baden-Württemberg. | Berlin. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Forderung nach der sofortigen Abschaltung einiger alter Atomkraftwerke zurückgewiesen. "Ich kann heute nicht erkennen, dass unsere Kernkraftwerke nicht sicher sind. Sonst müsste ich sie ja mit meinem Amtseid sofort abschalten", sagte Merkel in der ARD.
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"Unser Kernkraftwerke sind nach Maßgabe dessen, was wir wissen, sicher." Zuvor hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel die Stilllegung alter Reaktoren gefordert. Diese Forderungen seien voreilig, sagte Merkel in der Sendung "Brennpunkt", die am Sonntagabend ausgestrahlt werden sollte.
Allerdings würden die Sicherheitsstandards der Kraftwerke erneut geprüft. Der Sicherheit müsse alles untergeordnet werden. "Wenn man Anhaltspunkte hätte, dass sie heute nicht sicher sind, dürfte man sie keinen weiteren Tag mehr laufen lassen", sagte die CDU-Chefin. Sie bekräftigte, dass man nach dem Atomunfall in Japan nicht zur Tagesordnung übergehen könne. "Deutschland hat sich jedenfalls entschieden, aus der Kernenergie auszusteigen und das Zeitalter der erneuerbaren Energie möglichst schnell zu erreichen." Es werde auch Thema der kommenden Wochen sein, "wir können wir vielleicht bestimmte Dinge beschleunigen".
Angstmacherei?
Merkel warnte zugleich davor, aus parteipolitischen Motiven Ängste zu schüren. Auch wenn es bei den rot-grünen Ausstiegsbeschlüssen geblieben wäre, würden sich die Fragen nach den Lehren aus Japan nun genauso stellen. "Wir machen Politik nicht nach jeder Landtagswahl", sagte sie mit Blick auf die anstehende Wahl in Baden-Württemberg am 25. März. Sie halte zudem wenig davon, dass Deutschland Atomkraft aus Frankreich einkaufe, um sagen zu können, man habe die eigenen Reaktoren stillgelegt.
Für Dienstag hat die Kanzlerin die Ministerpräsidenten der Länder eingeladen, in denen sich Standorte von Atomkraftwerke befinden. Dabei werde es um die Frage der Sicherheitsüberprüfungen gehen. Zugleich müsse auf EU-Ebene darüber geredet werden, welche Lehren aus er Katastrophe in Japan zu ziehen seien. Dies betreffe etwa Länder, die neue Atommeiler planten.
Menschenkette
SPD, Grüne und Linke verlangten am Wochenende eine Kehrtwende der Regierung und einen schnellen Atomausstieg. Die Entscheidung zur AKW-Laufzeitverlängerung sei falsch gewesen. In Baden-Württemberg schlossen sich am Samstag bis zu 60.000 Atomgegner zu einer Menschenkette vom Atomkraftwerk Neckarwestheim bis zum Regierungsviertel in Stuttgart zusammen. In zwei Wochen finden dort Landtagswahlen statt.
Weitere Aktionen gegen Atomenergie angekündigt
Die Organisatoren der 45-Kilometer-Menschenkette zwischen Neckarwestheim und Stuttgart erklärten, die Ereignisse in Japan seien der Beweis, dass selbst in einem Hochtechnologie-Land mit besonderer Sicherheitskultur nicht alle Risiken der Atomenergie beherrscht werden könnten. "Angela Merkel und Stefan Mappus werden merken: Wer Laufzeiten verlängert, verkürzt seine Regierungszeit", sagte Jochen Stay von der Anti-Atom-Organisation "ausgestrahlt". Für Montagabend kündigten Umweltorganisationen Mahnwachen und Aktionen gegen Atomenergie in mehreren deutschen Städten an.
Das Atomkraftwerk Neckarwestheim von EnBW ist eines der ältesten in Deutschland und wurde durch die Laufzeitverlängerung von Schwarz-Gelb vor der bevorstehenden Abschaltung gerettet. Ministerpräsident Mappus ist ein erklärter Befürworter der Atomenergie und hat das Land Baden-Württemberg mit 45 Prozent an EnBW beteiligt. (APA, Reuters)