Zum Hauptinhalt springen

Merkel vollzieht Rolle rückwärts bei EADS

Von Alexander Dworzak

Wirtschaft

Berlin übernimmt Anteile von Daimler, deutsch-französisches Belauern bleibt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Berlin/Paris. Ein ganz normales Unternehmen sollte EADS nach früheren Vorstellungen von Angela Merkel werden, der französisch-deutsche Staatseinfluss auf ein Minimum schrumpfen. Nun vollzieht die Kanzlerin ihre seit Monaten angedeutete Kehrtwende: Die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) übernimmt zwölf Prozent von Europas größtem Flugzeug- und Rüstungskonzern.

Passé ist damit die verdeckte Einflussnahme Berlins über den Autoriesen Daimler. Dieser hält bislang direkt 15 Prozent an EADS, weitere 7,5 Prozent parkt Daimler bei dem Bankenkonsortium Dedalus. Ergibt in Summe 22,5 Prozent der Anteile in deutscher Hand - ebenso viel wie auf französischer Seite. Dort besitzt der Staat 15 Prozent; 7,5 Prozent gehören dem Mischkonzern Lagardère.

Regierungskreise in Berlin und Paris haben sich nach Informationen des "Handelsblatts" nun darauf verständigt, dass beide Staaten jeweils zwölf Prozent an EADS halten werden. Deutschland nimmt dem verkaufswilligen Daimler-Konzern zumindest einen Teil seines Aktienpakets ab, Frankreich verringert seinen Anteil um drei Prozent. Gemeinsam mit Spanien, das weitere 5,5, Prozent an EADS besitzt, kommen die drei Staaten künftig auf knapp unter 30 Prozent der Anteile.

Auf Augenhöhe mit Paris

Die 180-Grad-Wende der Kanzlerin ist einem Anliegen geschuldet: Auf Augenhöhe mit Frankreich bei der Airbus-Muttergesellschaft zu stehen. Argwöhnisch belauern sich die zwei strategischen Partner. In beiden Ländern sind rund 50.000 Mitarbeiter beschäftigt, bei Weichenstellungen in Forschung, Entwicklung und Produktion möchte Deutschland ein gewichtiges Wort mitsprechen.

Zurückhaltend agierte die Regierung in Berlin bereits in der Vergangenheit nicht: Sie blockierte die angedachte Fusion von EADS mit der britischen BAE Systems im Oktober - sehr zum Leidwesen von Frankreich und der BAE-Aktionäre. Zu groß war die Furcht, Berlin würde gegenüber Paris ins Hintertreffen geraten. Und die Kanzlerin forderte Standortgarantien für die EADS-Werke - die ihr der deutsche Vorstandschef Tom Enders nicht gewährte.

Gleiche Rechte wie Paris wird Berlin aber auch in Zukunft nicht haben. Denn EADS ist eine niederländische Aktiengesellschaft; um ein Übernahmeangebot für die anderen Aktionäre zu umgehen, seien "gewisse Abweichungen unserer Mitwirkungsrechte im Vergleich zur französischen Regierung unvermeidbar", erklärt das deutsche Wirtschaftsministerium. Rund drei Milliarden Euro lässt sich Deutschland den Erwerb von zwölf Prozent an EADS kosten; entsprechende Mittel wurden bereis vom Bundestag genehmigt.

Nichts fürchtet man in der EADS-Führung mehr als den Einzug von Regierungsbeamten in den Aufsichtsrat des Konzerns. Deutschlands Wirtschaftsminister Philipp Rösler schloss dies im vergangenen Jahr noch aus - nun werden die Karten möglicherweise neu gemischt. Großer Verlierer der neuen Aktionärsstruktur ist daher EADS-Chef Tom Enders. Es ist nach der geplatzten Fusion mit BAE seine zweite herbe Niederlage binnen kurzem.