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Der Generalsekretär einer Partei ist zuvorderst erster Diener des Parteichefs. Das gilt auch, wenn es sich dabei um eine Generalsekretärin und eine Parteichefin handelt. Von daher wäre die Nachricht, dass der CDU-Vorstand auf Vorschlag von Angela Merkel die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer als neue Generalsekretärin nominiert, normalerweise keine große Schlagzeile wert; jedenfalls nicht in Österreich.
Allerdings sind die Zeiten in Berlin nicht normal. Auch fünf Monate nach der Wahl wartet die größte europäische Wirtschaftsmacht auf eine neue Regierung, hängt die Koalition zwischen Union und SPD am seidenen Faden einer Urabstimmung der orientierungslosen Sozialdemokratie; laut einer Umfrage hat die Rechtsaußen-Partei AfD jetzt die SPD überholt.
Zumindest Letzteres wäre unmöglich, wäre nicht auch Merkels Union von Selbstzweifeln geplagt. Die Kanzlerin hat ihre Partei zu einem politischen Neutrum umgeformt, das sich nach Bedarf bei den politischen Konzepten von SPD und Grünen bedient. Das war für Deutschland wie Europa durchaus erfolgreich, nur ist darob die klassische Struktur der CDU verloren gegangen. Einstmals rangen Vertreter von Law & Order mit den Fürsprechern des unternehmerischen Mittelstands und den Sozialpolitikern um Einfluss in der Union; und jeder Flügel war von enormer Bedeutung für die Identität der Partei als Sammelbecken der rechten Mitte. Davon sind heute allenfalls noch Spurenelemente übrig.
In dieser Situation ist die Entscheidung für Kramp-Karrenbauer ein interessantes Signal: In dem Moment, in dem Merkel von anschwellendem Murren gedrängt wird, Signale der personellen Erneuerung zu senden, überträgt sie das strategisch wichtige Amt des Parteimanagements an jene Politikerin, die ihr in Stil und Inhalt am nächsten steht: pragmatisch, mittig, unprätentiös. Man muss kein Prophet sein, um in Kramp-Karrenbauer Merkels eigene Wunschnachfolgerin zu sehen. Und ihr hat sie sogleich auch die Aufgabe einer umfassenden Erneuerung der CDU übertragen.
Die Frage ist, ob das, was einmal gut funktioniert hat, auch noch ein zweites Mal bei den Wählern verfängt - und das nach dann mehr als zwanzig Jahren Merkel. Oder ob die Wähler nicht eher Lust auf ein Kontrastprogramm haben: kantiger, glamouröser und mit klarem Profil.
Hinzu kommt, dass den wenigsten demokratisch gewählten Monarchen von den Untertanen gewährt wird, auch noch ihre Nachfolger zu inthronisieren. Das weiß niemand besser als Merkel selbst, die einst - als Generalsekretärin - nicht nur den Ehrenvorsitzenden Helmut Kohl, sondern auch den damaligen Parteichef Wolfgang Schäuble demontierte.