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Merkels Partner mit Geltungsdrang

Von Alexander Dworzak aus Bayern

Politik

Schafft die CSU am Sonntag in Bayern die absolute Mehrheit, wird sie in Berlin künftig forsch auftreten.


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München. "Deutschland geht’s gut und, entschuldigen Sie, Frau Merkel, Bayern geht’s noch besser." Eine kleine Spitze kann sich Bayerns Ministerpräsident nicht verkneifen, als er mit der Kanzlerin auftritt. Es ist ein seltener gemeinsamer Termin der beiden Vorsitzenden der Schwesterparteien CSU und CDU. Letztlich kämpft jeder für sich, hat andere Prioritäten: Der Traum von Horst Seehofer ist die absolute Mehrheit bei der bayerischen Landtagswahl am Sonntag, Merkel möchte eine Woche später bei der Bundestagswahl den Grundstein für eine dritte Amtsperiode legen.

Der seit 2008 amtierende bayerische Landesvater ist seinem Ziel zum Greifen nahe. Auf 47 Prozent kommt seine CSU laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid. Die Sozialdemokraten prolongieren ihren Negativlauf und können nach dem historischen Tief bei der letzten Wahl wieder nur mit 18 Prozent rechnen - dies unabhängig von der Aufregung um das Coverfoto des "Süddeutschen Magazins", in dem Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mit Stinkefinger posiert.

Mit den Grünen und den bürgerlichen Freien Wählern schaffen lediglich zwei weitere Parteien den Einzug in den Landtag. Aus dem Münchner Maximilianeum fliegt dagegen wohl die Regierungspartei FDP, die unter der Fünf-Prozent-Hürde liegt.

Merkels Rezept angewandt

Bedächtig und vergleichsweise ruhig, wie bereits während der gesamten Wahlkampagne, gibt sich Seehofer auch in Würzburg. Bei strömendem Regen hält sich der 64-jährige Ingolstädter am Unteren Markt kurz, schwärmt dafür von Angela Merkel als "Glücksfall für Deutschland". Die kühl wirkende Kanzlerin und der gerne polternde Ministerpräsident sind sich ähnlicher, als es das unterschiedliche Temperament vermuten lässt: Beide haben Parteien im Krisenzustand übernommen, sie inhaltlich erneuert und zu ungeahnter Stärke geführt. Das Debakel bei der bayerischen Landtagswahl 2008 - die Christsozialen stürzten um 17,9 Prozentpunkte ab - spülte Seehofer an die CSU-Spitze. Aus der Partei des Wehrdienstes wurde die des Berufsheeres, aus Atomkraft-Befürwortern wurden Verfechter der Energiewende.

"Die CSU hat erkannt, dass man mit konservativen Werten alleine keine Wahlen mehr gewinnt", sagt der Politikwissenschafter Michael Weigl von der Ludwig-Maximilians-Universität München der "Wiener Zeitung". Zur Befriedung der Kernklientel gebe es Leuchtturmprojekte wie das Betreuungsgeld für Hausfrauen - von der Opposition hämisch als "Herdprämie" tituliert.

Der gewiefte Seehofer nimmt inhaltliche Beliebigkeit für Erhalt und Ausbau der Macht billigend in Kauf - wie es Merkel im Bund praktiziert. Ein Balanceakt sind die wandelnden Strukturen in der CSU. Traditionell wurde bei den Christlichsozialen stark hierarchisch gedacht und Wert darauf gelegt, geschlossen aufzutreten. Heute gehen Bürgermeister und Ortsverbände auch öffentlich wesentlich kritischer mit der Partei um. "Doch ohne Geschlossenheit innerhalb der CSU kann sich die Partei in der Bundesregierung nicht Gehör verschaffen", erklärt Weigl.

Wohnungen werden teurer

Als kleinerer Partner in der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU müssen die Christsozialen unberechenbar sein, um in Berlin ernst genommen zu werden. Seehofers Vorstoß für eine Pkw-Autobahnmaut für ausländische Lenker verdeutlicht den Geltungswunsch der Bayern. Schafft die CSU die absolute Mehrheit, wird sie Merkel ihr gestiegenes Selbstbewusstsein spüren lassen. Sollte die FDP bei der Bundestagswahl den Einzug in das Parlament schaffen und die schwarz-gelbe Koalition ihre Fortsetzung finden, hat Merkel gleich zwei profilierungssüchtige Partner an Bord.

Bei allen bundespolitischen Ränkespielen darf der alte und neue bayerische Regierungschef die Probleme in seinem Bundesland nicht aus den Augen lassen. Zwar herrscht Vollbeschäftigung, doch die Gewichte verschieben sich immer stärker Richtung München; der Großraum der Landeshauptstadt - wo auch Siemens und BMW ihren Sitz haben - erwirtschaftet ein Viertel des bayerischen Bruttoinlandsprodukts. Immer mehr Einwohner ziehen in die Ballungsräume, zusätzlich strömten von 2001 bis 2011 rund 500.000 Deutsche mehr nach Bayern als fortzogen. Leistbare Wohnungen sind insbesondere in München Mangelware, selbst außerhalb des Stadtzentrums schlagen 60-Quadratmeter-Wohnungen mit 300.000 Euro zu Buche.