Zum Hauptinhalt springen

Merkels unsichere Reise nach Jamaika

Von Alexander Dworzak

Politik

SPD kündigt nach Wahldebakel das Ende der großen Koalition an. Ein Bündnis von CDU/CSU mit FDP und Grünen ist inhaltlich und atmosphärisch schwierig.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Gemeinsam minus 14 Prozent: Für die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD endet die Bundestagswahl am Sonntag mit desaströsen Ergebnissen. Zwar bleibt die Union von Kanzlerin Angela Merkel mit Abstand stimmenstärkste Fraktion, verliert aber rund acht Prozentpunkte - der höchste Verlust aller Parteien. Die Sozialdemokraten kommen auf ihr schlechtestes Ergebnis in der Geschichte der BRD, sie kratzen an der 20-Prozent-Marke.

Eine Fortsetzung der großen Koalition zwischen den nun geschrumpften Volksparteien scheint vom Tisch. "Die SPD geht in die Opposition", kündigte Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern und Vizechefin der Sozialdemokraten, im ZDF an. Parteichef Martin Schulz tritt jedoch nicht zurück.

Zwei Regierungen auf Landesebene

Für Angela Merkel bleibt nur eine Koalitionsmöglichkeit: ein Bündnis mit der liberalen FDP und den Grünen. Diese Koalition gab es bereits im Saarland von 2009 bis 2012, CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer kündigte das Bündnis aber vorzeitig auf. Schwarz-Gelb-Grün regiert im nördlichsten Bundesland Schleswig-Holstein seit Juni dieses Jahres. Auf Bundesebene muss sich aber erst zeigen, wie insbesondere die Grünen und die FDP in der Steuer-, Sozial- und Umweltpolitik zusammenfinden können. "Mir fehlt dafür die Fantasie, sagte FDP-Chef Christian Lindner im Wahlkampf über eine Zusammenarbeit mit den Grünen. Auch sind die atmosphärischen Vorbehalte zwischen "Fingerzeig-Grünen" und "Ich-AG-Liberalen" groß. Ebenfalls äußerst reserviert steht die bayerische CSU der Öko-Partei gegenüber.

Entsetzt, aber kämpferisch reagierten Vertreter der arrivierten Parteien den Erfolg der AfD; die Rechtspopulisten erreichen wohl mehr als 13 Prozent. "Wir müssen den Kampf um die richtigen Ideen führen", sagte der CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet. Zwar sind die Deutschen zufrieden wie nie mit der wirtschaftlichen Lage im Land - 84 Prozent, 1998 waren es nur 41 Prozent. Kehrseite dieses Erfolges ist die Angst der Bürger vor schrumpfendem Wohlstand. Diese Befürchtungen, kombiniert mit der Gegnerschaft zu Merkels Flüchtlingspolitik, machte die AfD stark. 55 Prozent sagen laut ARD, die Kanzlerin habe bei dem Thema die Sorgen der Bürger vernachlässigt. Es ist ein gespaltenes Verhältnis der Bürger zur Kanzlerin: Weltpolitisch sind sie in Zeiten von Trump und Brexit dankbar für Merkel als Garanten für Stabilität. Innenpolitisch wird die seit 12 Jahren Amtierende nun mehr denn je als Ballast wahrgenommen.