Arbeitskampf in mehr als 150 Betrieben - von Andritz bis Voest.
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Wien.
In der österreichischen Metallindustrie tobt der Kampf - und zwar der Arbeitskampf. Nachdem die zweite Runde der Kollektivvertragsverhandlungen am Mittwoch ohne Ergebnis geblieben ist, hat die Gewerkschaft ihre Drohung wahr gemacht und am Donnerstag die ersten Warnstreiks und Betriebsversammlungen durchgeführt.
Auslöser für den Arbeitskampf war das - aus Sicht der Gewerkschaft - zu geringe Angebot für die Erhöhung der Löhne und Gehälter. Nach siebenstündigen Verhandlungen lag das Angebot der Arbeitgeber bei durchschnittlich 3,65 Prozent plus einer Einmalzahlung von 200 Euro. Die untersten Einkommensschichten hätten nach Aussagen von Arbeitgeber-Verhandler Christoph Hinteregger 3,8 Prozent mehr Lohn bekommen sollen, die mittleren Einkommen 3,6 Prozent und die Besserverdiener 3,4 Prozent. Die Geringverdiener wären so inklusive der Einmalzahlung auf ein Plus von 4,37 Prozent gekommen. Hinteregger bezeichnete das Angebot im ORF-Radio als "Spitzenklasse".
Starkes Wachstum
Für die Gewerkschafter Rainer Wimmer (Pro-Ge) und Karl Proyer (GPA-djp) war das Angebot aber nicht hoch genug. Zuletzt hatten sie ein Plus von 5,5 Prozent gefordert. Begründet wurde der Ruf nach einer deutlichen Erhöhung der Löhne und Gehälter unter anderem mit dem starken Wachstum der Betriebe, der hohen Liquidität und der guten Auftragslage. Auch der Gewinn der Unternehmen könne sich anschauen lassen. So sei der ordentliche Betriebserfolg (Ebit) um mehr als 40Prozent auf rund 2,2 Milliarden Euro gestiegen, rechnete Arbeiterkammer-Präsident Herbert Tumpel kürzlich vor. Untermauert hat er diese Zahlen mit einer Studie der Arbeiterkammer zur Lage in mehr als 200 Unternehmen der Metallindustrie.
Inwieweit die Gewerkschafter bei der Verhandlung am Mittwoch nachgegeben haben, wurde von ihnen nicht verraten. Laut den Arbeitgebern haben sich Wimmer und Proyer nicht bewegt. Es könnte aber durchaus möglich sein, dass sie beide bei der nächsten Runde etwas nachgeben. Aus Gewerkschaftskreisen ist zu hören, dass das Mindestniveau bei 4,5 Prozent liegen muss - alles, was darunter liegt, sei "nicht akzeptabel".
Bei den Warnstreiks und Betriebsversammlungen, die am Donnerstag zum Teil schon um 6Uhr morgens gestartet sind, haben sicht laut Gewerkschaft mehr als 150 Firmen beteiligt. Somit haben bereits rund die Hälfte der 165.000 Beschäftigten der Metallindustrie die Forderungen der Gewerkschaft unterstützt. Betroffen von der Arbeitsniederlegung waren Betriebe in ganz Österreich - vom Turbinenbauer Andritz bis zum Stahlproduzenten Voestalpine. Beim AL-KO Werk im Tiroler Ramsau haben etwa bis kurz vor Donnerstagmittag rund 200 Arbeitnehmer die Arbeit niedergelegt. Am einstündigen Warnstreik im Werk des Lkw-Produzenten MAN in Steyr in Oberösterreich haben etwa 2000 Personen teilgenommen.
Streik im Opel-Werk
Zur Arbeitsniederlegung kam es unter anderem auch bei AVL List, Bosch, GE Jenbacher, General Motors, Miba, Montanwerke, Schmitter, Springer, Thöni und Tyrolit. Laut Arbeitnehmer-Verhandler Wimmer habe man mit den Kampfmaßnahmen "voll ins Schwarze getroffen". Die Stimmung in den Betrieben sei gut und es würden sich immer mehr Betriebe an der Arbeitsniederlegung beteiligen.
Mit den Warnstreiks und Betriebsversammlungen ist aber nicht getan. In einigen "ausgewählten Betrieben" sollen heute befristete Streiks, die eine Schicht lange dauern, abgehalten werden, so die Gewerkschaft. So soll unter anderem die Opel-Fabrik in Wien-Aspern bestreikt werden. Wie lange die Arbeitsniederlegung dauern wird, wollte Arbeitnehmer-Verhandler Proyer nicht erläutern. Am Donnerstag wurde hier bereits in zwei Schichten im Motoren- und Getriebewerk Betriebsversammlungen und einstündige Warnstreiks abgehalten. Beim Fahrzeugtechnik-Werk von Magna Steyr in Graz soll heute ebenfalls gestreikt werden.
Vor der Buntmetall im niederösterreichischen Amstetten wird es heute ab 7 Uhr Kundgebungen geben. Der Geschäftsführer von Buntmetall ist Alfred Hintringer, der zusammen mit Christoph Hinteregger für die Arbeitgeber verhandelt. Beim Lift-Hersteller Doppelmayr, wo Verhandler Hinteregger arbeitet, hat es am Donnerstag keine Protestkundgebungen gegeben und es dürften auch keine mehr kommen. Bernhard Heinzle, Geschäftsführer der GPA-djp in Vorarlberg, erklärte, dass es keinen entsprechenden Aufruf gegeben habe. Zwar habe man beim Planen von Aktionen kurz über eine solche Kundgebung nachgedacht, "die Sache ist aber schon in der Ideen-Phase gestorben", sagte Heinzle im Gespräch mit der APA.
"5,5 Prozent überfordern"
Bei den Arbeitgebern kommen die gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen erwartungsgemäß alles andere als gut an. "Es schaut so aus, als würde die Gewerkschaft neue Regeln entwickeln", heißt es aus Arbeitgeber-Kreisen zur "Wiener Zeitung". Auch das Veröffentlichen der Forderung von 5,5 Prozent, wie es letzte Woche getan wurde, wird nicht goutiert. Damit habe man den früheren Weg einer funktionierenden Sozialpartnerschaft verlassen, sagte Arbeitgeber-Vertreter Hinteregger kürzlich. Er verwies auch darauf, dass eine Lohn- beziehungsweise Gehaltserhöhung von 5,5 Prozent jeden Betrieb überfordern würde.
Mit den Streiks und den Betriebsversammlungen wollen die Gewerkschafter aber nicht nur eine kräftigere Lohn- und Gehaltserhöhung als von der Industrie angeboten erreichen, sondern sie wollen auch das Tempo der Verhandlungen erhöhen.
Die Gewerkschafter signalisierten, auch am Wochenende weiter verhandeln zu wollen. Die Arbeitgeber haben bisher aber noch keine Signale in diese Richtung gesendet. Informierte Personen halten es aber für möglich, dass die Verhandlungen noch vor 20. Oktober, wenn der nächste Verhandlungstermin stattfinden sollte, weitergehen könnten. Sollte es am Wochenende zu keiner Weiterentwicklung kommen, mache die Gewerkschaft am Montag ernst, betonte Verhandler Wimmer. "Unbefristete Kampfmaßnahmen" sind ab dann - nach einem streikfreien Wochenende - möglich.
Letzter Streik 1986
Dass die Gewerkschafter sehr dahinter sind, einen raschen und hohen Verhandlungsabschluss zu erreichen, zeigt auch die Tatsache, dass zuletzt vor 25 Jahren, nämlich im November 1986, ein Streik während der Kollektivvertragsverhandlungen abgehalten wurde. Dabei ging es in kurzen Warnstreiks um die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung und mehr Lohn.
Davor streikten die Beschäftigten der Metall-Branche im Mai 1962. Der erfolgreiche Arbeitskampf hatte mehrere Ziele: die Abschaffung eigener Frauenlohngruppen, Lohnerhöhungen sowie arbeitsrechtliche Verbesserungen bei Krankenstand.