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Metaller-Streit: Wer kommt zum Handkuss, wenn Aufträge ausbleiben?

Von Stefan Melichar

Analysen

Bei den Kollektivvertragsverhandlungen in der Metallindustrie ist heuer der Lohnabschluss selbst fast schon zur Nebensache geworden. Hauptstreitpunkt ist mittlerweile die Frage, wer in Zukunft zum Handkuss kommt, wenn wieder einmal die Aufträge ausbleiben sollten. | KV-Verhandlungen stocken


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Das Zauberwort aus Arbeitgebersicht heißt dabei "Arbeitszeitflexibilisierung": Arbeiter und Angestellte sollen in guten Zeiten deutlich mehr unbezahlte Überstunden machen als jetzt. Letztere könnten dann in mageren Phasen abgebaut werden. "Wäre das bereits umgesetzt, hätte man sich in der Krise viel an Kurzarbeit sparen können", so Markus Beyrer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, vor wenigen Tagen bei einem Pressegespräch.

Die Lasten der Kurzarbeit verteilen sich auf den Staat, der Arbeitslosengeld zuschießt, auf die Arbeitgeber, die in den ersten sechs Monaten die vollen Sozialversicherungsbeiträge bezahlen müssen, und auf die Arbeitnehmer, die Lohneinbußen in Kauf nehmen. Die Gewerkschaft fürchtet nun, dass in Zukunft in erster Linie alleine die Arbeitnehmer unter einer Auftragsflaute leiden könnten.

Das von der Arbeitgeberseite vorgeschlagene Modell sieht einen Durchrechnungszeitraum von zwei Jahren vor: Im ersten Jahr können bis zu 150 Überstunden anfallen, die weder ausbezahlt noch in Form von Zeitausgleich abgegolten werden. Kommen im zweiten Jahr weitere Überstunden dazu, erhalten die Arbeitnehmer auf diese einen Zeit- oder Geldzuschlag von 25 Prozent.

Alleine der Wegfall der 150 Überstunden, die laufend auf dem Zeitkonto stehen bleiben können, führt laut Gewerkschaft zu einem Einkommensverlust von rund zehn Prozent - was die Wirtschaftskammer allerdings bestreitet.

Kompromiss beim KV

Sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerseite verweisen auf das Modell der "erweiterten Bandbreite", das 1997 nach zähem Ringen ins Leben gerufen worden ist. Dort können 80 Stunden angespart, aber nur 40 davon ins darauf folgende Jahr übertragen werden. Auf jeden Fall wird ein Zeitzuschlag von 25 Prozent angewendet (64 Stunden werden gearbeitet, 80 angerechnet), und Überstunden sind mit einem Zuschlag von 50 Prozent auszubezahlen.

Hier deutet sich auch eine Kompromissmöglichkeit für die weiteren Verhandlungen an: Kommen die Arbeitgeber den Arbeitnehmern bei Zeit- und Geldzuschlägen entgegen, wäre dies ein Signal, dass Flexibilität bei der Arbeitszeit kein einseitiges Opfer sein muss. Umgekehrt kann sich die Gewerkschaft nicht von vornherein darauf verlassen, dass der Staat auch bei künftigen Problemsituationen finanzkräftig einspringt und Massenkündigungen durch die Subventionierung groß angelegter Kurzarbeit verhindert. Nicht jede Auftragsflaute ist eine Systemkrise, über die Politiker nicht hinwegsehen können.