Großstädter wissen es aus eigener Erfahrung: Zwischen den Hochhäusern staut sich an heißen Tagen die Hitze, Asphalt und Zement nehmen die Sonnenstrahlen auf und geben sie abends wieder ab. Nach Sonnenuntergang bleibt es in den Städten wärmer als in den Vororten oder auf dem Land. Wissenschafter gehen nach neusten Studien sogar davon aus, dass die Hitzeinseln der Großstädte sogar das Wetter beeinflussen und noch in einigen hundert Kilometer Entfernung Gewitter auslösen können.
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Wissenschafter der US-Raumfahrtbehörde NASA entdeckten das Phänomen in Atlanta, der Metropole im US-Staat Georgia, die Smog und Verkehrsstaus fest im Griff haben. Die Forscher interessierten sich besonders für Atlanta, weil nur wenige natürliche Grenzen die Luftmassen über der Stadt von der Umgebung trennen. "Die Hitzeinsel wird größer, und sie löst Klimaveränderungen in der ganzen Region aus", sagte der Geographieprofessor C.P. Lo von der Universität von Georgia, der an dem NASA-Projekt teilnahm. "In anderen Städten gibt es ähnliche Trends, aber in Atlanta ist das Szenario am schlimmsten."
Die Metropolen saugen die Hitze in ihrem Asphalt, dem Beton und den Mauern der Gebäude auf. Das NASA-Team fand heraus, dass in Atlanta an einem Tag mit über 30 Grad die Dächer der Hochhäuser fast 80 Grad heiß wurden.
Wenn die Sonne untergeht, geben die Städte die Hitze wieder ab, die sie tagsüber aufgesogen haben. Der damit entstehende niedrige Luftdruck zieht kühlere Luft an, beim Zusammenstoß der Luftmassen entstehen Gewitter. Die Klimaforscher sind sich sicher, dass es sich bei den Blitzen nicht um normale Sommergewitter handelt, weil diese zu anderen Tageszeiten auftreten.
Die städtischen Gewitter beginnen meist um 2.00 Uhr morgens, wie der NASA-Wissenschafter Dale Quattrochi erklärte. Die Gewitter ziehen dann wie andere Stürme nach Osten weiter. Die Forscher beobachteten, dass die Hitzegewitter aus Atlanta Städte an der Grenze zu South Carolina in fast 240 Kilometer Entfernung mit Regengüssen überzogen.
In einem Staat wie Georgia, der unter lang anhaltenden Dürreperioden leidet, ist das sogar ein Segen, doch die Wissenschafter befürchten einen gefährlichen Trend. Offenbar gibt es immer mehr Metropolen mit drückender, ungesunder Luft. Studien in Salt Lake City und Sacramento brachten ähnliche Ergebnisse.
Die Forscher untersuchen schon seit Jahrzehnten die Hitzeinseln der Großstädte. In New York bemerkten sie schon vor längerer Zeit, dass heranziehende Gewitter sich um die Stadt verteilen, weil sie die Hitzemauer nicht durchdringen können. In Atlanta traten die Gewitter sogar an klaren Tagen auf. Die hastige Erschließung der Vororte trägt nach Ansicht von Quattrochi zu dieser gefährlichen Entwicklung bei.
Die Baufirmen fällen Bäume, die früher Schatten spendeten und viele der schädlichen Sonnenstrahlen absorbierten. Doch ohne sie wird die Vorstadt zu einer Wüste. In den vergangenen 25 Jahren sind bei Atlanta etwa 22 Hektar Wald verloren gegangen. "Man bekommt ein größeres Grundstück und einen Rasen, aber es gibt auch eine negative Seite", sagte der NASA-Experte Lo. "Diese Entwicklung hat bereits fundamentale Veränderungen in der Luftqualität gebracht."
Quattrochi fordert deshalb zusätzlich zur Smogbekämpfung eine "kühlere Stadtplanung". Es gebe keinen Grund, warum Hausdächer schwarz gestrichen sein müssten. Er fordert die Stadtplaner außerdem auf, Bäume an strategischen Plätzen zu pflanzen und verweist darauf, dass Beton weit weniger Hitze aufnimmt als Asphalt.