Zum Hauptinhalt springen

MH17-Absturz: Im Zentrum steht die Wahrheit

Von WZ-Korrespondent Tobias Müller

Politik

Das Verfahren um den MH17-Abschuss beginnt ohne Angeklagte, aber mit einer Geste an die Opfer.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Schiphol. Unter großer internationaler Aufmerksamkeit begann am Montag das Strafverfahren um den Abschuss des Passagierflugs MH17. "Viele haben lange auf diesen Tag gewartet", sagte der vorsitzende Richter Hendrik Steenhuis zu Beginn, und verwies auf die "schreckliche Katastrophe", bei der am 17. Juli 2014 alle 298 Passagiere ums Leben kamen.

Bestätigt wurde Steenhuis von gut 400 Medien- Vertretern aus mehr als 20 Ländern. In der Früh trafen sie im eigens erbauten Pressezentrum beim gesicherten Gerichtsgebäude am Amsterdamer Flughafen Schiphol ein. Auch die technischen Schwierigkeiten zum Auftakt unterstrichen die Worte des Richters: Kurz nach der Eröffnung musste die Sitzung unterbrochen werden, weil der Livestream wegen Überlastung zusammenbrach.

Nicht erschienen sind wie erwartet die Angeklagten - drei hohe militärische Vertreter prorussischer Separatisten in Donezk und der ukrainische Befehlshaber einer Einheit, weil weder Russland noch die Ukraine Staatsbürger ausliefert. Einzig Oleg Pulatow, der stellvertretende Geheimdienstchef der selbsternannten Volksrepublik Donezk, ließ sich von zwei niederländischen Anwälten vertreten. Eine von ihnen betonte, ihr Mandant habe mit dem Abschuss "nichts zu tun".

Zur Last gelegt wird den Angeklagten die Herbeiführung des Abschusses mit Todesfolge und die Ermordung aller Passagiere. Staatsanwalt Ward Ferdinandusse erklärte, sie hätten zwar nicht den Auslöser gedrückt, aber eine "wichtige koordinierende Rolle" bei Einsatz und Transport der BUK- Rakete gespielt.

Debatte über Sinn des Verfahrens

Bei einer Verurteilung drohen lebenslange Haftstrafen. Fraglich ist jedoch, ob diese je vollzogen würden. In den Niederlanden, wo Flug MH17 nach Kuala Lumpur abhob und von wo mit 198 Personen die meisten Opfer stammen, wird derzeit heftig über den Sinn des Verfahrens diskutiert. Gegen ein internationales Tribunal legte Russland 2015 vor dem UN-Sicherheitsrat ein Veto ein. 2017 beschlossen die Mitglieder des gemeinsamen Recherche-Teams - Niederlande, Australien, Malaysia, Belgien und Ukraine - eine strafrechtliche Verfolgung in den Niederlanden.

Die Hinterbliebenen sind sich dennoch einig, dass der Prozess auch unter diesen Umständen sinnvoll ist. "Ich hoffe, dass so die Wahrheit auf den Tisch kommt", sagt Sander van Luik, Sprecher der "Arbeitsgruppe Wahrheitsfindung", die rund 30 besonders aktive Hinterbliebene umfasst.

Bis zur inhaltlichen Behandlung wird es jedoch dauern. Die Auftaktsitzungen in dieser Woche sind für formelle Punkte reserviert, darunter die Frage, ob das Gericht ausreichend Anstrengungen unternommen hat, um den Angeklagten die Vorladungen zu übermitteln.

Für den eindrucksvollsten Moment der Auftakt-Sitzung sorgte Dedy Woei-A-Tsoi, eine weitere Staatsanwältin. Beim Vortragen der Anklageschrift verlas sie die Namen aller 298 Opfer.