Die gesamte Debatte rund um Häupls Nachfolge gleicht bisher dem altbekannten Muster in der SPÖ.
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Es bleibt dabei: Michael Häupl tritt zurück. In gut drei Monaten, am 27. Jänner 2018, wird am Landesparteitag der Wiener SPÖ nicht nur ein(e) neue(r) Bürgermeister(in), sondern auch ein(e) neue(r) Vorsitzende(r) der Wiener SPÖ gewählt. Damit geht eine Ära zu Ende: Michael Häupl war bereits Bürgermeister, als ich eingeschult wurde und lange bevor ich meinen ersten Spritzwein getrunken habe.
Ohne Zweifel hat Häupl große Herausforderungen bewältigt und eine Menge vollbracht. Er war der erste Wiener Bürgermeister, der eine Koalition eingehen musste, und konnte aus dieser Rolle die absolute Mehrheit für die SPÖ in Wien zurückerobern. Schließlich war es Häupls Verdienst, dass er 2010, nach erneutem Verlust der absoluten Mehrheit, die erste rot-grüne Regierung Österreichs bildete. Er hat damit Mut zu einem progressiven Projekt bewiesen, das von Anfang an auch in der eigenen Partei auf starken Widerstand gestoßen ist.
Zu guter Letzt kann sich Häupl mit dem guten Abschneiden der SPÖ in Wien bei den gerade geschlagenen Nationalratswahlen brüsten. Der deutliche Stimmenzuwachs in Wien hat der SPÖ bundesweit den zweiten Platz gerettet. In der kurzen Zeit, die Häupl als Vorsitzender der Wiener SPÖ noch hat, bleibt die Chance auf ein weiteres progressives Projekt, eine letzte große Tat: die Regelung seiner Nachfolge.
Die gesamte Debatte rund um Häupls Nachfolge gleicht bisher dem altbekannten Muster in der SPÖ. Im Stille-Post-Stil werden Namen geflüstert, niemand traut sich so richtig aus der Deckung, und von inhaltlichen Vorstellungen ist überhaupt keine Rede. Auch Michael Ludwig - der Einzige, der bisher öffentlich Interesse bekundet hat - hat noch mit keinem Wort verraten, welche Vorstellungen er für seine Partei und die Stadt Wien hat.
Am besten viele Kandidatinnen und Kandidaten für Nachfolge
Dabei gibt es eine Fülle an Herausforderungen: Wie wird man sich gegenüber einer schwarz-blauen Bundesregierung positionieren und profilieren? Wie soll das Verhältnis mit den (nicht erst seit der Nationalratswahl) arg gebeutelten Wiener Grünen weiter konstruktiv gestaltet werden? Wie wird die Stadt Wien, die auch nach dem Boykott von "Österreich" durch die Bundespartei weiter fleißig Inserate im Boulevard schaltet, ihre zukünftige Medienpolitik gestalten? Welche Antworten gibt es auf die demografischen, gesundheitspolitischen, bildungspolitischen Herausforderungen in Wien? Und vor allem auch: Wie soll es mit der Wiener Landespartei, die im gerade geschlagenen Wahlkampf erneut ihre Loyalität und Stärke bewiesen hat, weitergehen?
Zu all diesen Fragen gibt es in der SPÖ sicher zahlreiche gute Konzepte. Antworten darauf darf es jedoch nicht erst nach dem 27. Jänner 2018 geben. Die Debatte darüber muss jetzt beginnen. Und Häupl kann den entscheidenden Schritt dafür machen: Er soll öffentlich dazu aufrufen, dass sich mehrere Kandidatinnen und Kandidaten für seine Nachfolge bewerben. Sie sollen ihre unterschiedlichen Konzepte präsentieren und damit in einen demokratischen Wettstreit treten. Diese Diskussion soll öffentlich und möglichst breit geführt werden: in Zeitungen, im Fernsehen, in den sozialen Netzwerken und in mehreren Veranstaltungen, bei denen sich SPÖ-Mitglieder ein Bild von den Kandidatinnen und Kandidaten machen können. Alle sollen die Möglichkeit bekommen, diesen Wettstreit der Konzepte zu verfolgen. Am 27. Jänner kann schließlich demokratisch abgestimmt werden.
Eine derartige Wahl böte enorme Vorteile. Nicht nur die inhaltliche und strategische Positionierung der oder des zukünftigen Landesparteivorsitzenden wäre klarer, sondern auch der Rückhalt in der eigenen Basis. Mediale Spielereien um "linke" oder "rechte" Kandidatinnen und Kandidaten - was immer das genau bedeutet - würden einer inhaltlichen Auseinandersetzung weichen. Bisher wurden Nachfolger stets vom Vorgänger ernannt, doch diesmal wäre so ein Vorgehen mit einer massiven Schwächung der Wiener SPÖ verbunden. Auf wen auch immer die Gnade fiele, er oder sie hätte einen unberechenbaren Teil der SPÖ von Beginn an gegen sich - jenen, der sich um seine Chance gebracht fühlt. Eine Entscheidung in kleinem Kreis ist kein Garant für Frieden in der Organisation, auch wenn manche in den Schwierigkeiten der Grünen derzeit ein Argument gegen innerparteiliche Demokratie sehen.
Anders als die Absegnung eines einzigen Kandidaten führt eine Wahl zu einer weit größeren Legitimation und Anerkennung, nach innen und außen. Voraussetzung dafür ist ein Wahlkampf mit fairen Präsentationsmöglichkeiten und der Beteiligung möglichst vieler: Wählen sollten nicht nur die Delegierten des Parteitags, sondern alle Mitglieder. So kann man sichergehen, dass nicht die Funktionärszirkel auf Basis ihrer machtpolitischen Interessen entscheiden, sondern die besten Köpfe mit den besten Ideen bestehen. Diese haben schließlich auch die besten Chancen, für die SPÖ Wahlen zu gewinnen.