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Michael Ludwig: Verwalter und Versöhner

Von Daniel Bischof

Politik

Der Wiener Bürgermeister wird erstmals als Vorsitzender der Wiener SPÖ wiedergewählt. Eine Bilanz seiner bisherigen Amtszeit.


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Wien. Es ist eine Zeit der Premieren und Jubiläen für Michael Ludwig. Erstmals wird er am Samstag als Vorsitzender der Wiener SPÖ am Landesparteitag wiedergewählt. Am 1. Mai tritt er am Rathausplatz zum ersten Mal als Bürgermeister vor die Parteigenossen. Doch damit nicht genug. Schon ein paar Wochen später kann er sein einjähriges Amtsjubiläum zelebrieren: Am 24. Mai 2018 wurde er vom Gemeinderat zum Bürgermeister gewählt. Die "Wiener Zeitung" zieht Bilanz.

Die Wiener SPÖ tritt wieder geeint auf

Flügelkämpfe hatten den Kampf um die Nachfolge von Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) geprägt, Bösartigkeiten begleiteten die Wahl. Ludwig sei "kein einender Kandidat", verkündete die damalige Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger öffentlich. Die Partei spaltete sich: Da das linke Lager, das Andreas Schieder unterstützte und vielfach aus Granden der Häupl-Ära bestand. Dort die Basis von Ludwig, die als weiter rechts stehend tituliert wurde.

Ludwig ist es gelungen, die Partei nach seiner Wahl zu versöhnen. Sie tritt heute wieder geeint auf. Dabei geholfen hat seine Personalpolitik: Ludwig bestellte Peter Hacker zum Gesundheitsstadtrat, Jürgen Czernohorszky blieb Bildungsstadtrat, beide sind Vertreter des linken Flügels. Finanzstadträtin Renate Brauner, sie unterstützte Schieder und zählte zur Häupl-Garde, wurde "Bevollmächtigte für Daseinsvorsorge und Kommunalwirtschaft". Und Schieder ist nun Spitzenkandidat der SPÖ für die EU-Wahl.

Vorgezogene Wahlen derzeit unwahrscheinlich

Turbulente Zeiten stünden Rot-Grün bevor, da Ludwig weiter rechts als Häupl stehe und auf Law-and-Order-Politik setze, so die Vermutung von Politologen und Beobachtern. Vorgezogene Landtags- und Gemeinderatswahlen seien daher möglich. "Rot-Grün steuert in unruhige Gewässer", titelte auch diese Zeitung anlässlich Ludwigs Ernennung zum Bürgermeister.

Hier und da erfasst noch ein Lüftchen das Koalitionsboot. So stieß das von Ludwig angeordnete Alkoholverbot am Praterstern bei den Grünen auf wenig Gegenliebe. Von einem Kentern ist es derzeit aber entfernt, der reguläre Wahltermin im Herbst 2020 scheint ungefährdet. Bei heiklen Angelegenheiten stützen einander die Koalitionspartner, wie bei der Präsentation des Abschlussberichts zum KH-Nord-U-Ausschuss. Ansonsten koexistierten die Parteien meist friedlich nebeneinander. Die Grünen können ungestört ihre Prestigeprojekte präsentieren, beispielsweise ihre Wanderbaumallee oder die Umgestaltung der Zieglergasse zur "kühlen Meile". Die SPÖ wiederum kommuniziert vor allem Sozial- und Sicherheitsthemen.

Große Visionen blieben bisher aus

Inhaltlich fällt die Ausbeute unter Ludwigs Stadtregierung bisher überschaubar aus. Visionäre Projekte sind nicht in Sicht. Ludwig trat eher als Verwalter auf, der an den Schrauben dreht, das Werk aber wie gewohnt laufen lässt. Beispielhaft dafür ist die SPÖ-Klubklausur Ende März 2019.

Auf solchen Klausuren wurden schon der U5-Bau oder der Gratis-Kindergarten verkündet. Dieses Jahr blieb der große Wurf aus. Ludwig erklärte etwa, den "Wien-Bonus" auszuweiten. Bei der Vergabe von Lehrlingsplätzen und Jobs in der Stadt werden künftig Bewerber mit Hauptwohnsitz Wien bevorzugt. Auch bei Aufträgen der Stadt sollen Wiener Firmen bevorzugt werden.

Gezeigt hat sich mittlerweile auch, dass der Bürgermeister ein Faible für Sicherheitsthemen hat. Durch das härtere Auftreten sollen Wähler, welche die Wiener SPÖ in den vergangenen Jahren an die FPÖ verloren hat, zurückgeholt werden. Ludwig forcierte das Alkoholverbot am Praterstern, das Essensverbot in den U-Bahnen, sprach sich für die Ausbürgerung von österreichischen IS-Kämpfern aus und bot dem Bund an, die Wiener Polizei in die Zuständigkeit des Landes zu übernehmen. Das Angebot wurde, wie zu erwarten war, von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) abgelehnt. Auch mit seiner Forderung, ganz Wien zur Waffenverbotszone zu erklären, scheiterte Ludwig. Das ist rechtlich gar nicht möglich.

Der Parteichef pflegt zwar gute Kontakte zu Teilen der ÖVP, etwa zum Präsidenten der Wiener Wirtschaftskammer, Walter Ruck. Inhaltlich positioniert sich die SPÖ jedoch klar als Gegenmodell zur Bundesregierung.

 

Peter Hacker, der "Energiekreis"

Und hier kommt Gesundheits- und Sozialstadtrat Peter Hacker ins Spiel. Er spielt in Ludwigs Team eine entscheidende Rolle und ist der auffälligste Stadtrat. Während die für Wohnbau und Frauen zuständige Kathrin Gaal und Finanzstadtrat Peter Hanke eher im Hintergrund arbeiten, ist Hacker im medialen Rampenlicht. Seine Aufgabe ist klar: Der Sozialexperte soll sich auf die Bundesregierung einschießen. Den Entwurf zur Mindestsicherung nannte Hacker einen "echten Wahnwitz", die Caritas-Kritik der Bundesregierung "unerträglich". Regelmäßig arbeitet er sich an Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) ab.

Hacker fällt auf, Hacker polarisiert. Der Wien-Politiker stellt die Oppositionsarbeit der Bundes-SPÖ in den Schatten. An Selbstbewusstsein mangelt es ihm dabei nicht. "Der einzige Energiekreis, den es ab sofort hier gibt, bin ich", meinte er nach Auffliegen der KH-Nord-Esoterik-Affäre. Fraglich ist aber, ob Hacker nicht über sein Ego und seine Impulsivität stolpern könnte. Personalvertretern des Krankenanstaltenverbundes warf er schon vor, sie würden offenbar an Demenz leiden. Im Zuge der Neuregelung der Mindestsicherung verglich er die Bundesregierung zudem mit dem Dritten Reich.