Die Parlaments- und die Präsidentschaftswahlen in Georgien werden gemeinsam am 4. Jänner abgehalten, kündigte Oppositionsführer Michail Saakaschwili Mittwoch in Tiflis an. Die georgische Opposition einigte sich auch auf Saakaschwili als gemeinsamen Kandidaten für die Nachfolge des zurückgetretenen Präsidenten Eduard Schewardnadse. Die amtierende Übergangspräsidentin Nino Burdschanadse hob per Dekret den am Wochenende von ihrem Vorgänger Schewardnadse ausgerufenen Ausnahmezustand auf.
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Der 35-jährige Michail Saakaschwili, der mit einer Holländerin verheiratet und Vater eines achtjährigen Sohnes ist, gilt als der populärste Politiker in Georgien. Der ausgebildete Jurist, der seine in Tiflis begonnenen Studien in den USA und Frankreich abrundete, kehrte 1995 in seine Heimat zurück und war seit damals Abgeordneter. 1998 wurde er Vorsitzender der georgischen Bürgerunion, der Partei von Präsident Eduard Schewardnadse und im Jahr 2000 wurde er zum Justizminister bestellt.
Saakaschwili, dem seine Kritiker Populismus und Demagogie unterstellen, widmete sich in seinen politischen Funktionen besonders der Bekämpfung der Armut und der in seiner Heimat Georgien weitverbreiteten Korruption.
Als Justizminister machte er sich mehrere Kabinettskollegen zu Feinden, als er in einer Regierungssitzung Unterlagen über den Kauf ihrer luxuriösen Villen aus unsauberen Einkünften vorlegte. Nach nur zehn Monaten im Amt musste er zurücktreten, als 12 Untersuchungsgefangene, denen man eine Verwicklung in einen Mordanschlag gegen Präsident Schewardnadse im Jahr 1998 nachsagte, aus dem Gefängnis entwichen.
Nach seinem Ausscheiden aus der Regierung gründete er eine Oppositionspartei, die Nationale Bewegung und wurde zum Vorsitzenden des Gemeinderats in der Hauptstadt Tiflis gewählt, wo ein Drittel der etwa 5 Millionen Bewohner Georgiens leben. In dieser Funktion erhöhte er die Pensionen um 22 Prozent und beeindruckte seine Wähler, indem er schon mal selbst Hand anlegte, wenn es in einem Wohnbau ein leckes Dach oder einen kaputten Aufzug zu reparieren galt.
Bei den umstrittenen Parlamentswahlen Anfang November wurde seine Partei nach offiziellen Daten drittstärkste Kraft und Saakaschwili führte seither die täglichen Proteste gegen die Regierung an, der er massiven Wahlbetrug vorwarf, was letztlich auch vom Chef des Nationalen Sicherheitsrates, Tedo Tschaparidse, eingestanden wurde.
Als Schewardnadse Samstag mit einer Rede das neue Parlament eröffnen wollte, war es Saakaschwili, der mit den Worten "Rücktritt" in den Sitzungssaal stürmte und das Signal für de Endphase der "Samtenen Revolution" gab. Gleichzeitig war er bemüht, dem Präsidenten einen Abgang ohne völligen Gesichtsverlust zu ermöglichen. Unter Vermittlung des russischen Außenministers Igor Iwanow wurde der Rücktritt Schewardnadses ausgehandelt und Michail Saakaschwili bezeichnete Schewardnadses Abgang als "mutigen Akt", mit dem Blutvergießen vermieden wurde. "Die Geschichte wird Schewardnadse freundlich beurteilen", sagte er vor seinen jubelnden Anhängern.