EuGH bestätigt 497 Millionen Strafe. | Kroes: Bereits Schaden angerichtet. | Brüssel. Die EU-Kommission hat einen fast neun Jahre dauernden Rechtsstreit mit dem Software-Giganten Microsoft vorerst gewonnen. Der Europäische Gerichtshof erster Instanz (EuGH) hat eine EU-Strafe über 497 Mio. Euro gegen den Konzern aus Redmond bestätigt und dessen Klage gegen Brüssel weitgehend abgewiesen. Denn tatsächlich habe Microsoft seine marktbeherrschende Position missbraucht.
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Die Kommission habe zu Recht verlangt, die Schnittstelleninformationen für die Kommunikation zwischen Arbeitsgruppenservern und Windows-PCs den Mitbewerbern zur Verfügung zu stellen. Und die Integration des Multimedia-Abspielprogrammes Windows Media Player in das Windows-Betriebsystem habe den Markt tatsächlich unzulässig verzerrt. Daher müsse weiterhin auch eine Version ohne Player angeboten werden.
Lediglich die von der Kommission verlangte Einsetzung eines Treuhänders, der die Umsetzung der EU-Entscheidung überwachen sollte, wurde von den Richtern mangels Rechtsgrundlage annulliert.
EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes begrüßte das Urteil als "wichtigen Präzendenzfall", der die Autorität der EU-Wettbewerbsbehörde bestätigt habe. Microsoft-Hausanwalt Brad Smith zeigte sich enttäuscht, gelobte allerdings künftig engere Zusammenarbeit mit den Brüsseler Behörden. Ob er berufen werde, konnte er noch nicht sagen. Dafür hat Microsoft zwei Monate Zeit.
Mehr Auswahl für die Konsumenten?
Kroes freut sich, dass es künftig mehr Auswahl für Konsumenten, mehr Innovation und niedrigere Preise geben werde. Microsoft werde seine Marktmacht nicht mehr so missbrauchen und den Kunden seine Produkte nicht mehr aufzwingen. Sie hofft, dass auch das "Monopol" des Konzerns bei PC-Betriebssystemen durch das Urteil zunichte gemacht werde. Durch das "illegale Verhalten" von Microsoft sei jedoch bereits beträchtlicher Schaden für Konsumenten und Industrie entstanden.
So habe der US-Konzern seinen Marktanteil bei Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver seit dem Ausbruch des Rechtsstreits 1998 auf 80 Prozent verdoppelt. Dazu habe Microsoft seine "superdominanten" und monopolnahen Marktanteil bei PC-Betriebssystemen missbraucht: Ohne die notwendigen Schnittstelleninformationen hätten Konkurrenzprogramme für die Serversoftware keine Chance gehabt. Auch ob eine im Vorjahr verhängte Folgestrafe von rund 280 Mio. Euro für die nicht ausreichende Umsetzung der Kommissionsentscheidung aufrecht bleibe, konnte Kroes noch nicht sagen.
Spekulationen über künftige Marktanteile wies Smith zurück: Auch künftig müsse es in Europa möglich sein, dass Konsumenten Produkte von Microsoft kauften, wenn diese die besten seien. Der Konzern bekenne sich voll zur Umsetzung der Anforderungen der Kommission. Bei der Ausarbeitung von Vista habe Microsoft eng mit den Wettbewerbshütern zusammengearbeitet, um Probleme zu vermeiden.
Konsequenzen für die Branche
Und vergangene Probleme seien längst gelöst: Just mit Sun Microsystems, deren Beschwerde das EU-Verfahren angestoßen hatte, sei man erst vor wenigen Tagen eine enge Kooperation eingegangen. Und das Urteil werde wohl für die gesamte Branche Konsequenzen haben, meinte Smith mit Blick auf den 70- bis 80-prozentigen Marktanteil von Google bei Suchmaschinen.
Analyse: Nach Microsoft könnten noch vielen Hi-Tech-Firmen Strafen drohenChronologie des Streits:10.12.1998: Beschwerde von Sun Micrsosystems.
2.8.2000: EU-Kommission leitet Missbrauchsverfahren ein.
24.3.2004: Brüssel verurteilt Microsoft zu 497 Mio. Euro Strafe und Auflagen, der Konzern klagt.
22.12.2005: Microsoft erfüllt laut Kommission Auflagen nicht.
12.7.2006: Bußgeld von 280,5 Mio. Euro verhängt.
1.3.2007: Neues EU-Verfahren wegen zu hoher Lizenzgebühren.
23.4.2007: Microsoft antwortet (fristgerecht) auf die neuen Vorwürfe.