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Die neuen Kapitalregeln sorgen für Zusatzkosten. | Finanzinstitute und Firmen flirten mit Anleihen & Co. | Alpbach. Auf die Finanz- folgt nun die Sinnkrise. Lange Jahre hindurch haben sich Banken in Mitteleuropa als einzige nennenswerte Geldquelle für große Teile der Wirtschaft verstanden. Die Unternehmen akzeptierten dies als die einfachste Art, sich zu finanzieren. Nun steht diese Zweckehe vor der Zerreißprobe.
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Grund dafür sind nicht zuletzt die geplanten Regeländerungen für das Finanzsystem. Der Aufbau dickerer Kapitalpölster im Rahmen der sogenannten Basel-III-Regeln und andere Maßnahmen dürften Kredite spürbar verteuern. Damit wird es für Firmen zunehmend günstiger, sich Geld nicht von den Banken, sondern direkt von Investoren an den Finanzmärkten zu leihen. Durch eine stärkere Diversifizierung der Geldquellen ist man außerdem in seinen unternehmerischen Entscheidungen weniger abhängig.
"Basel III bringt einen weiteren Schub Richtung Kapitalmärkte", so Karl Sevelda, Vorstand der Raiffeisen Zentralbank, am Donnerstag beim Alpbacher Finanzsymposium. Dass dies die Banken Geschäft kosten könnte, wird in der Branche nicht befürchtet: Banken wären in Zukunft eben stärker "als Intermediär zwischen Kunden und Investoren" tätig, meint Investkredit-Vorstand Michael Mendel. Im Klartext: Statt magerer Gewinnspannen bei Krediten spitzt man auf fette Provisionen aus dem Kapitalmarktgeschäft.
Risikoscheu als Anstoß
Die entgeltliche Betreuung von Unternehmen, die zum Beispiel Anleihen begeben wollen, ist außerdem vergleichsweise risikolos. Weitere Geldquellen für Firmen könnten Börsegänge oder Finanzinvestoren (Private-Equity-Fonds) sein.
Laut dem Internationalen Bankenverband IIF beträgt der Anteil der Bankkredite an der Unternehmensfinanzierung in der Eurozone knapp 74 Prozent. In den USA ist es umgekehrt: Dort entfallen mehr als drei Viertel auf die Kapitalmärkte. Dass nun in Österreich die alte Liebe zum Bankkredit auf allen Seiten spürbar erkaltet, heißt freilich nicht, dass es in absehbarer Zukunft amerikanische Verhältnisse geben wird. Grund ist die kleinteilige Struktur der hiesigen Wirtschaft. Wer nur ein paar Millionen braucht, wird sich weder die Rundumkosten einer Kapitalmarktemission leisten noch Investoren finden. Eine internationale Anleihe ist ab einem Volumen von 500 Millionen Euro möglich, eine kleinere inländische - laut Bank-Austria-Vorstand Helmut Bernkopf - ab 100 Millionen Euro. Letztlich kommt dies also nur für wenige Großunternehmen in Frage. Das gilt auch für Börsegänge.
Was Private-Equity-Investitionen betrifft scheinen ebenfalls keine raschen Umbrüche zu erwarten: Einerseits scheuen viele Unternehmen die Mitsprache eines Investors, der durch Eigenkapitalzuschüsse eine Beteiligung erwirbt. Andererseits kommen auch hier aus Basel III Einschränkungen auf Banken zu.
Nichtsdestoweniger fordert Erste-Bank-Vorstand Peter Bosek seine Branchenkollegen auf, einen gemeinsamen "Österreich-Fonds" für solche Eigenkapitalinvestments aufzulegen.
Schicksalsgemeinschaft
Insgesamt rechnen so gut wie alle Branchenvertreter damit, dass Unternehmen versuchen werden, ihre Finanzierungsquellen breiter zu streuen. Es sind aber wohl primär größere Unternehmen, die der Kredit-Monogamie entsagen und Patchwork-Finanzierungen auf die Beine stellen können. Die anderen Schicksalsgemeinschaften aus Firmen und Banken werden sich wohl nach kurzer Midlife-Crisis wieder zusammenraufen müssen.