Die Regierung schützt Mieter vor Delogierung bei krisenbedingten Zahlungsrückständen. Kritik kommt von der Vereinigung der Privatvermieter. Der Mietervereinigung wiederum gehen die Maßnahmen nicht weit genug.
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Wer in der Corona-Krise seinen Job verliert oder aufgrund von Kurzarbeit beim Mietzins in Zahlungsschwierigkeiten gerät, den soll künftig das Gesetz schützen. Das dritte Maßnahmen-Paket, das die Regierung in Folge der Pandemie auf den Weg bringt, sieht vor, dass Mieter nicht delogiert werden dürfen, wenn sie aufgrund der Corona-Auswirkungen ihre Miete nicht bezahlen können. Auch die Kündigung des Mietvertrags ist in diesem Fall unzulässig. Der Gesetzesvorschlag soll am Freitag im Nationalrat verabschiedet werden. Wohnen sei ein Grundrecht, sagte Justizministerin Alma Zadic (Grüne), das gelte umso mehr in Krisenzeiten: "Wir lassen es nicht zu, dass jemand vor die Türe gesetzt wird."
Keine Delogierungen
Konkret sieht der Gesetzesvorschlag folgendes vor: Wer zwischen 1. April und 30. Juni aufgrund der Corona-Einschränkungen Schwierigkeiten hat, die Miete aufzubringen, hat bis 31. Dezember Zeit, entsprechende Rückstände zurückzuzahlen. Das allerdings mit Verzugszinsen, beschränkt auf den gesetzlichen Zinssatz von 4 Prozent. Räumungsexekutionen werden für drei Monate aufgeschoben, wenn der Mieter einen entsprechenden Antrag stellt, sodass Mietern Zeit für die Suche nach neuem Wohnraum bleibt. Für Mietverhältnisse, die während der Corona-Krise enden, kann zudem einvernehmlich zwischen Mieter und Vermieter Verlängerung vereinbart werden.
FPÖ-Chef Norbert Hofer kritisiert den Gesetzesvorschlag als nicht durchdacht. Er sehe nicht die Chance, dass jene, denen es in der Corona-Krise nun "wirklich schlecht" gehe, bis Dezember in der Lage sein würden, drei Monatsmieten an Rückständen nachzuzahlen - zusätzlich zur weiter anfallenden Miete. Stattdessen schlägt Hofer einen hohen Mietzuschuss vor, ohne Rückzahlung.
Die Mietervereinigung begrüßte den neuen gesetzlichen Schutz. Der Gesetzesvorschlag geht ihr allerdings nicht weit genug. Sie fordert zusätzlich die Einrichtung eines "Solidarfonds für besonders betroffene Menschen", um wachsenden Schulden durch nachzuzahlende Mieten entgegenzuwirken, und kritisiert ein weiteres Detail. "Im Gesetz steht, dass befristete Verträge bis 31. Dezember verlängert werden können", sagt Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Mietervereinigung Wien, gegenüber der "Wiener Zeitung". "Wenn der Vermieter sich aussuchen kann, ob der Vertrag verlängert wird oder nicht, werden aber gerade jene, die Schwierigkeiten haben, den Zins zu bezahlen, keine Verlängerung bekommen."
Den Eigentümer- und Vermieterverband trieb indes eine andere Sorge zu einem offenen Brief an Justizministerin Zadic. Mehr als 500.000 private Vermieter würden mit dem Gesetz in eine existenzgefährdende Situation gebracht, heißt es im Schreiben von Verbands-Präsident Günter Moser. Mit der Maßnahme würden "tausende Vermieter ihre Existenz verlieren, Insolvenz anmelden müssen und finanziell ruiniert werden. Ein solches Gesetz verstößt gegen die Menschenrechte und das Recht auf freies Eigentum, aber vor allem öffnet es ebenfalls tausenden Mietern die Tür zur Willkür", schreibt Moser.
Die Rechtsanwältin und Mietrechtsexpertin Susanna Fuchs-Weißkircher hält das Gesetz im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" für eine "kluge Entscheidung, um zu verhindern, dass Menschen in der aktuellen Krise auch noch Angst haben müssen, das Dach über dem Kopf zu verlieren". Der "sehr kurze Zeitrahmen" bis Ende des Jahres, um bestehende Mietrückstände zu bezahlen, könnte aber mittelfristig noch zu Zahlungsproblemen führen. Die "akute Angst" vor Delogierung würde mit dem Gesetz abgefangen, hier bestehe Rechtssicherheit. Zur Rückzahlung der Mieten könnte es indessen trotz des neuen Gesetzes helfen, eine einvernehmliche Lösung mit dem Vermieter zu suchen, sagt die Rechtsanwältin.
Nicht für Unternehmen
Das Gesetz gilt für alle Wohnraummieten, nicht allerdings für Geschäftsräumlichkeiten oder Pacht. Unternehmer, auch solche, die Klein- und Mittelbetriebe führen, können sich also nicht auf das neue Gesetz berufen. Die Paragraphen 1104 und 1105 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches regeln allerdings, dass die Verpflichtung zur Bezahlung des Mietzinses entfällt, wenn das betreffende Objekt aufgrund außerordentlicher Zufälle, etwa einer Seuche, nicht benutzt werden kann. Ist nur ein eingeschränkter Gebrauch möglich, kann eine Mietzinsreduktion geltend gemacht werden. Dass die Corona-Pandemie ein solcher "außerordentlicher Zufall" ist, scheint klar. Etwaige Mietzinsreduktionen müssen aber immer im Einzelfall geprüft werden. "In diesem Bereich herrscht noch eine starke Rechtsunsicherheit", sagt Anwältin Fuchs-Weißkircher.