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Mietrechtsreform durch Volksentscheid?

Von Alexander Maurer und Martina Madner

Politik

Häupl, Vassilakou und Ludwig fordern eine Mietzinsdeckelung, weniger Provision und das Ende befristeter Verträge.


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Wien. Bis zur Nationalratswahl sind es nur wenige Tage, aber die ersten Forderungen an die zukünftige Bundesregierung wurden bereits gestellt. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) und Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) drängten Dienstagabend geschlossen auf eine Reform des Mietrechtsgesetztes in der kommenden Legislaturperiode. Sollte dies nicht kommen, will man eine Änderung des Mietrechts mittels Volksbegehren durchsetzen, hieß es.

Kernforderung sind jedenfalls überprüfbare Mietobergrenzen sowie eine transparente Mietzinsbildung, bei denen die Zu- und Abschläge klar mit maximal 25 Prozent geregelt sind. Auch wenn man sich nicht auf eine fixe Zahl festlegen wollte, wird wohl eine Deckelung des Quadratmeterpreises für die Gesamtmiete bei 7,50 Euro angestrebt. Dies entspricht dem gedeckelten Mietzins der von der Stadt gebauten Smart-Wohnungen.

Zahlen der Statistik Austria zeigen, dass Wohnen per Miete in Wien teurer wurde: Der Quadratmeterpreis bei privaten Neuvermietungen stieg in Wien seit 2008 um 36 Prozent auf 11,07 Euro. Österreichweit ist er im selben Zeitraum um 31 Prozent auf 9,35 Euro angewachsen. Die Quadratmeterpreise für Neuvermietungen liegen bei diverser Immobilienportale um die 14 Euro. Der Anbieter "immowelt.at" etwa führt den Quadratmeterpreis der Gesamtmiete für Wien im Median (dem mittleren Wert der Angebotspreise) mit 14,90 Euro. Wien liegt damit an zweiter Stelle, nur Innsbruck ist mit 16 Euro pro Quadratmeter teurer.

Trotzdem ist Wohnbaustadtrat Michael Ludwig bemüht, das Bild für Wien "geradezurücken". Er betont, dass die starken Mietpreiserhöhungen für private Neuvermietungen nur 28.000 von einer Million Wohnungen betreffen. Schaut man sich die gesamten Durchschnittsmieten an, liegt Wien bei 7,68 Euro pro Quadratmeter, seit 2008 ist dies ein Anstieg um 33 Prozent. In diesem Vergleich liegt Wien hinter Salzburg (9,04 Euro), Tirol (8,32 Euro) und Vorarlberg (8,30 Euro) auf Platz vier.

Bundesweit lässt sich ein Anstieg um 30 Prozent auf 7,37 Euro verzeichnen. Da hier alle bestehenden Mietverhältnisse betrachtet werden, sind auch Langzeitverträge und Gemeindewohnungen inkludiert, heißt es seitens der Statistik Austria. Diese würden den Mittelwert für Wien drücken. Außerdem habe beispielsweise Spitzenreiter Salzburg höhere Richtwertmieten und einen geringeren Gemeindewohnungsanteil als Wien, wird angemerkt. Ludwig betont, dass die Gemeindewohnungsmieten lediglich an die Inflation angepasst wurden.

Apropos Langzeitverträge: Diese sollen wieder die Norm werden, wenn es nach Rot-grün geht. Denn befristete Mietverträge sollen nur noch zur Ausnahme werden, etwa, wenn die Weitergabe an ein Kind absehbar sei, so Ludwig. Vassilakou betont, dass Befristungen gerade junge Menschen dazu nötigen würden, "sich alle drei Jahre eine neue Wohnung suchen zu müssen".

Vermieter sollenMakler bezahlen

Des Weiteren wünscht man sich, Maklerprovisionen dem Verursacherprinzip zuzurechnen. Dies würde bedeuten, dass sie von demjenigen bezahlt werden, der den Makler engagiert, was in den meisten Fällen der Wohnungseigentümer ist. Dass diese Provision über höhere Mieten oder Zuschläge ganz oder teilweise über einen längeren Zeitraum wieder an die Mieter abgewälzt werden kann, ist nicht auszuschließen.

Das von Rot-Grün am Dienstagabend geforderte Volksbegehren als eine "außerparlamentarische Maßnahme" sieht Häupl als Ausweg, sollte die zukünftige Bundesregierung die Forderungen ignorieren. Zumindest scheint man in der Stadtregierung Schwarz-Blau für wahrscheinlich zu halten, wenn der Bürgermeister ein TV-Duell der beiden jeweiligen Parteichefs als "Schmusekatzengespräche" tituliert.

Aber kann eine Stadtregierung eine Volksabstimmung für ein Bundesgesetz initiieren? "Natürlich", entgegnet Verfassungsrechtler Heinz Mayer auf Anfrage direkt. "Sie müssen nur bundesweit 100.000 Unterschriften zusammenbekommen".

Vassilakou sieht die Bevölkerung hinter dem rot-grünen Vorstoß stehen. Die Vizebürgermeisterin bezieht sich dabei auf eine Umfrage von Unique research laut der 72 Prozent der Österreicher eine klar definierte Mietzinsobergrenze auf dem freien Wohnungsmarkt befürworten. Zudem baut Ludwig auf die Unterstützung anderer Bundeshauptstädte. "In Innsbruck beispielsweise steigen die Mieten stärker an als in Wien", sagt er. "Da ÖVP und FPÖ nach mehr direkter Demokratie rufen, sollten sie nichts gegen das Volksbegehren einzuwenden haben", kann sich Vassilakou eine letzte Spitze nicht verkneifen.

Die Bundes-SPÖ liefert den Wienern Unterstützung bei ihrer Argumentation in Form einer Kostenrechnung. Konkret wurde berechnet, was sich Mieter österreichweit mit einem Universalmietrechtsgesetz nach sozialdemokratischem Zuschnitt erspart hätten. Hätten, da es vor den Wahlen am 15. Oktober nicht mehr verabschiedet wird. Der Noch-Koalitionspartner ÖVP erteilte bereits eine Absage. Auch einem Bauten-Ausschuss, um das Gesetz zu diskutieren, stimmte die Volkspartei nicht zu.

5,77 Milliarden Euroweniger Mietkosten

Auch in Wien schiebt man den schwarzen Peter der ÖVP zu. "Wir sind jahrelang hingehalten worden. Dabei ist einer der größten Hinhalter Sebastian Kurz", betont Häupl. Das Mietrecht mit gesetzlich definierten Zu- und Abschlägen, die sogenannte Mietpreisobergrenze, hätte allen österreichischen Mietern innerhalb einer fünfjährigen Legislaturperiode 1,43 Milliarden Euro weniger Mietkosten gebracht.

Maklergebühren hätte nach SPÖ-Plan nicht der Mieter, sondern der Auftraggeber, in 90 Prozent der Fälle der Vermieter, zu zahlen - macht bei einer Maklerprovision von zwei Monatsmieten für knapp 150.000 neuen Mietverträgen innerhalb von fünf Jahren rund 196 Millionen Euro. Bei den Betriebskosten hätte die SPÖ gesetzlich verhindern wollen, dass Versicherungen, Grundsteuer und Verwaltungskosten in den Mietpreis einfließen dürfen; das wären weitere 4,13 Milliarden Euro Ersparnis gewesen. In Summe also 5,77 Milliarden Euro, die Herr und Frau Österreicher innerhalb von fünf Jahren weniger an Mieten bezahlen hätte müssen.

Der österreichische Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) steht den Forderungen insbesondere der Bundes-SPÖ kritisch gegenüber. Deren Rechnung werde nicht aufgehen, da leistbares Wohnen sich nicht durch die Mietzinshöhe, sondern auch durch ein entsprechendes Angebot definiere. Private Investitionen in Mietwohnungen würden aber bereits jetzt durch Maßnahmen wie die letzte Steuerreform oder ein Aussetzen der Indexierung der Richtwertmieten gehemmt, so der ÖVI. Stattdessen würden Investitionen in Wohnungseigentum boomen, meint Präsident Georg Flödl. Er fordert für eine Mietrechtsreform ein marktaffines Mietzinsbildungssystem und steuerliche Anreize für Wohnbauinvestitionen.

Auch das "Hinterfragen bestehender Normen, um Rahmenbedingungen für leistbares Bauen zu schaffen", wird gefordert. Ob hier Verschärfungen oder Aufweichungen angedacht sind, wird nicht ausgeführt, aus Sicht einer möglichen Kostenersparnis wird wohl eher Letzteres gemeint sein.

Wohnungsverknappungdurch Airbnb

Eine zusätzliche Verknappung des Wiener Wohnungsangebots kommt laut einer von der Stadt unterstützten Studie der Technischen Universität (TU) Wien von ganz anderer Seite. Laut TU werden über den Privatunterkunftsvermittler Airbnb dem Angebot rund 2000 Wohnungen dauerhaft entzogen. Immer mehr Großanbieter würden sich auf der Plattform tummeln, ganze Häuser würden in Airbnb-Unterkünfte umgewandelt.