Lehrgang im Integrationshaus für qualifizierte, aber arbeitslose Migranten. | Drei Viertel schaffen danach den Berufseinstieg. | Wien. "Die Qualifikationen verschwinden, wenn die Praxis nicht da ist", erklärt Ekaterine aus Georgien. Sie ist eine von vielen in Österreich lebenden Migranten, die in ihren Herkunftsländern entweder eine pädagogische, psycho-soziale oder juristische Ausbildung absolviert haben oder praktische Erfahrungen in diesen Feldern sammeln konnten.
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Bei "Migra-Train" bekommen sie die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten zu schulen und durch Praktika möglichst reibungslos den Einstieg ins Berufsleben zu schaffen. Der zehnmonatige Lehrgang wird vom Integrationshaus in Kooperation mit der Uni Klagenfurt geleitet und wird heuer seit Februar zum dritten Mal durchgeführt.
"Migra-Train" wird vom Wiener ArbeiternehmerInnen Förderungsfonds, dem Arbeitsmarktservice Wien sowie dem Europäischen Sozialfonds gefördert. Dennoch: Aus Ressourcengründen konnten von mehr als 100 Bewerbern dennoch nur 16 genommen werden.
"Wir kommen aus 14 verschiedenen Ländern und sprechen 26 unterschiedliche Sprachen", berichtet Goran stolz. Mit "wir" meint der Mazedonier den "Migra-Train"-Jahrgang 2010. Seit Februar finden sich die Teilnehmer montags bis freitags von 9 bis 15 Uhr in dem Schulungsraum in der Engerthstraße 163 ein.
Bis Mitte Dezember dieses Jahres erwarten sie mehr als 900 Unterrichtseinheiten. Nach Abschluss des Lehrgangs sollen die Absolventen als Berater und Trainer im Bereich Arbeitsmarkt, Bildung und Konfliktmanagement tätig werden, und zwar als Spezialisten für Fragen von Migration, Diversität und Interkulturalität.
Gespür für Zuwanderer
"Ich möchte eine bessere Beraterin werden", betont Rachel aus Kamerun überzeugt. "Ich glaube, dass gerade wir Migranten viel besser verstehen und damit auch viel besser beraten würden." Gerade behördlichen Beratern fehle oft das richtige Gespür. Rachel ist ausgebildete Übersetzerin für Englisch und Französisch und hat wie die meisten Teilnehmer bisher nicht ihrer Profession entsprechend tätig sein können.
"Wir haben alle einen Berg von Erfahrungen", meint wiederum der gebürtige Iraker Younes und fügt hinzu: "Hier werden sie zurecht geschliffen." Der Lehrgang ist ein Angebot für arbeitslose, aber hoch qualifizierten Migranten, die ihre Fähigkeiten bisher nicht beruflich umsetzen konnten.
Die Ausbildung umfasst Methoden der Beratung, Fachwissen zu Bildungsberatung und Berufsorientierung, Trainingsmethoden, Konfliktmanagement, Beratung von Flüchtlingen sowie Interkulturalität und Migration. Ebenso zentral ist bei "Migra-Train" auch die Reflexion über die einzelnen Migrationserfahrungen. In die Praxis umgesetzt wird das theoretisch Erlernte in zwei Praktikumsphasen mit einem einmonatigen Intensivpraktikum und dem fünfmonatigem Langzeitpraktikum an je einem Tag pro Woche.
Laut Lehrgangsleiterin Elisabeth Freithofer sind vom Jahrgang 2008 inzwischen etwa 75 Prozent der Teilnehmer im gewünschten Feld beschäftigt, beispielsweise beim Bildungsunternehmen "ibis acam", das Coaching und Berufsberatung anbietet. Freithofer wünscht sich von den vielen Beratungs- und Bildungsinstitutionen eine noch stärkere interkulturelle Öffnung. So sollte sich der Migrantenanteil bei den Klienten auch in der Belegschaft widerspiegeln.
"Wie lange bleibe ich noch Ausländer?", lautet ein Aufsatz von Younes. "Die Sprache ist die Brücke zu allen Menschen, zu den Herzen der Einheimischen", heißt es dort in einem Absatz. Und: "Ein sehr wichtiges Element ist dann noch der erlernte Beruf.. ."