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Migranten als neue Arbeiterkinder

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Rassismus als Hürde für Integration am Arbeitsmarkt. | "Ein Problem der Schichten, nicht der Ausländer." | Wien. Auf Einladung des Integrationshauses fand in Wien am Mittwoch ein Kongress zur Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt statt. Die "Wiener Zeitung" traf Willi Resetarits, den Ehrenvorsitzenden des Integrationshauses, zum Interview.


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"Wiener Zeitung": Woran liegt es, dass sich Jugendliche mit Migrationshintergrund am Arbeitsmarkt so schwer tun? Willi Resetarits: Ich kann es nicht sagen. Ich vermute, dass es sehr viele Arbeitgeber gibt, die sagen Wir wollen lieber Eingeborene haben.

Also spielt da Rassismus eine Rolle?

Latenter Rassismus spielt sicher eine Rolle. Wir haben aber die Erfahrung gemacht, dass Rassismus schwindet, wenn sich die Leute persönlich kennen. Was natürlich auch eine Rolle spielt, ist die soziale Schichtung. Es gibt bei Zuwanderern mehr Unterschichtkinder als bei eingeborenen Österreichern.

Wenn es ein Rassismus-Problem ist, würde dann mehr Bildung etwas ändern?

Man muss grundsätzlich schauen, dass man zu Bildung kommt, das betrifft alle jungen Menschen. Was den tendenziellen Rassismus angeht, das ist eine sehr zähe Sache.

Ist es besser oder schlechter als vor 10 oder 20 Jahren?

Wenn alles immer ärger geworden wäre, seit wir sagen, alles wird immer ärger, wären wir alle schon in der Hölle und die Welt schon lange untergegangen. Es ist nicht wichtig, wann es ärger war. Es ist wichtig, dass es arg ist. Wir haben es hier mit schlafenden Hunden zu tun. Xenophobie, die Suche nach Sündenböcken - das hat es immer gegeben. Wenn es genug Demagogen gibt, die Vorteile daraus ziehen, Volksverhetzung zu betreiben, dann tut man sich schwer.

Wird es durch das neue Fremdenrecht noch ärger?

Für die Verfassung des Geisteszustandes des Wahlvolkes spielen auch Gesetzestexte eine Rolle. Diese definieren im Subtext, wer ist was wert, wer ist nichts wert, wen hat der Autor der Gesetzestexte lieb, wen findet er nicht so gut. Sprache hat eine Macht. Wenn man Asylwerbern per Gesetzesnovelle unterstellt, dass sie schwindeln, dann ist das eine Aussage, die Gewicht hat und Folgen für die Mehrheit derer, die nicht schwindeln.

Woran hapert es in der Integrationspolitik?

Ich denke, die Integration gehört weg aus dem Innenministerium. Die Polizei will Täter verfolgen, das muss auch passieren. Aber wenden wir nicht die Gesetze für Missetäter auf unbescholtene Asylwerber an. Die sollten sozialarbeiterisch behandelt werden - mit dem nötigen Respekt und nicht mit der Verachtung, die aus dem Gesetzestext und der Praxis spricht.

Zurück zu Arbeitsmarkt und jugendlichen Migranten: Häufig wird ein bildungsfernes Elternhaus für die Misere der Jungen verantwortlich gemacht. Wie kann man diese Eltern erreichen?

Ich sehe das mit dem Blick auf soziale Schichtungen. Bevor es so viele Migranten gab, gab es auch eine Unterschicht, die Arbeiter. Da spielte sich das selbe ab wie jetzt bei den Migranten: Ihre Kinder hatten weniger Chancen in der Bildung und wurden vom Elternhaus auch weniger gefördert. Zuwanderer erfüllen aber einen ganz wichtigen Zweck für die Wirtschaft, indem sie Tätigkeiten verrichten, die sonst niemand tun will. Das muss man ja auch schätzen und nicht nur sagen, wie blöd sie sind, dass sie nur diese Arbeit machen.

Werden sich hier die Chancen wie einst bei den Arbeiterkindern verbessern?

Es hat sich viel getan. Durch die Bildungsreform Bruno Kreiskys haben sich die Chancen für Arbeiterkinder verbessert. Aber immer noch wird ein Akademikerehepaar eher Akademikerkinder heranziehen und werden es Arbeiterkinder schwer haben.

Aber die Anstrengungen dürfen nicht erlahmen. Wir wissen, dass im Schulsystem sehr viele Barrieren sind, dass die Öffnung der Schule auf einen ganztägigen Betrieb und die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen seit Jahrzehnten von den Schwarzen blockiert wird. Das ist ein Skandal. Könnte man eine kluge Schulreform machen, würde sich die Situation für die Kinder der ärmeren Schichten verbessern. Wir können auf die Talente in den ärmeren Schichten nicht verzichten.

Sie sehen das also als Schichten- und nicht als Migrantenproblem?

Lassen wir das sogenannte Ausländerproblem als ein Problem von ein paar Ewiggestrigen stehen und sehen uns das andere schichtspezifisch an. Ich glaube, das funktioniert.

Willi Resetarits (61) prägte als Ostbahn Kurti jahrzehntelang die heimische Musikszene. Er ist Mitbegründer der Organisationen Asyl in Not, SOS Mitmensch und des Wiener Integrationshauses.