90 Prozent der Zugvögel sind laut Studie viel zu wenig geschützt.
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Brisbane/Wien. Je weiter sich die Zivilisation ausbreitet, umso weniger Lebensräume bleiben für die Zugvögel dieser Erde. Zwar gibt es in vielen Ländern Artenschutzprogramme, die dieser Problematik entgegenwirken, doch erstrecken sich die Flugrouten auch über Krisenregionen, in denen der Schutz der Arten nicht gerade groß geschrieben wird.
"Mehr als 90 Prozent der fliegenden Migranten sind inadäquat geschützt", stellt ein internationales Forscherteam in einer im Fachblatt "Science" veröffentlichten Studie fest. Es mangelt zunehmend an geschützten Rastplätzen, Brutgebieten und Winterquartieren. Die Wissenschafter um Claire Runge von der University of Queensland sehen hier einen dringenden Handlungsbedarf. Wobei vor allem in China, Indien, Teilen Afrikas und in Südamerika seien die größten Versäumnisse zu verzeichnen.
Da sich die Flugrouten über Kontinente ziehen, seien die Aktivitäten einzelner Länder nicht ausreichend. "Mehr als die Hälfte jener Zugvögel, die die Hauptflugrouten in Anspruch nehmen, haben eine ernsthafte Reduktion ihrer Population erlitten", betont die Ökologin Claire Runge.
Ein typischer Zugvogel macht in seinem Jahresverlauf für die Nahrungsaufnahme, Schlaf und die Aufzucht seiner Jungtiere an vielen geografisch sehr unterschiedlichen Plätzen Rast. Das Forscherteam spricht von 8200 Arealen als besonders wichtige Gebiete für die Zugvögel-Populationen. "Allein ihre Brutgebiete zu schützen, ist nicht genug. Die Kette kann bei jedem Verbindungsglied reißen", erklärt die Wissenschafterin. Sie nennt Arten wie zum Beispiel den Dunklen Sturmtaucher, der von den Falklandinseln bis zur Arktis 64.000 Kilometer zurücklegt. Der zu den Singvögeln zählende Kappen-Waldsänger bewegt sich drei Tage lang Nonstop von Ostkanada bis nach Südamerika über dem offenen Atlantik.
Die Studie zeigt auf, dass 1324 von 1451 Zugvögelarten zumindest auf einem Teil ihrer Route inadäquat geschützt sind. 18 Spezies wird in ihren Brutgebieten gar kein Schutz zuteil, zwei Arten sind entlang ihrer gesamten Flugroute permanenter Gefahr ausgesetzt.
"Die Prachtamazone, ein brasilianischer Papageien-Migrant, ist durch den Verlust seines Lebensraums bedroht", schreibt Koautor Stuart Butchart von der Hilfsorganisation Bird Life International in "Science". Aber es sind nicht nur die ärmeren Regionen der Welt, die für den Schwund der Vögel verantwortlich gemacht werden dürfen, stellt Richard Fuller vom ARC Centre of Excellence for Environmental Decisions fest. "Viele zentralamerikanische Staaten erfüllen ihre Zielaufgaben für mehr als 75 Prozent ihrer Migrantenarten, aber dieselben Spezies sind in Canada und den USA schon wesentlich weniger geschützt."
Üblicherweise ist die Schaffung von Naturreservaten die Sache einzelner Länder. Die Forscher fordern allerdings internationale, zwischenstaatliche Anstrengungen und Kooperationen, die für den Schutz der weltweiten Zugvögelarten lebensentscheidend seien.
"Es ist unerheblich, was wir in Australien und Europa tun, denn wenn diese Vögel irgendwo anders ihre Lebensräume verlieren, werden sie zugrunde gehen", betont Fuller.