Studiengang für "Migrationsexperten". | Erwartbare Probleme schon im Vorfeld klären. | Wien. "Es ist inzwischen nicht nur der öffentlichen Hand klar, sondern auch im Bewusstsein der Menschen angekommen: Migranten sind nicht nur hier - sie bleiben auch hier", sagt die Wirtschafts- und Sozialforscherin Gudrun Biffl. Bildungseinrichtungen, Arbeitsmarkt, Gesundheitswesen müssen sich diesem Wandel stellen. Doch dazu braucht es entsprechendes Know-how.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Biffl leitet ein vergangenes Jahr an der Donau-Universität Krems gestartetes Bildungsangebot: die Ausbildung zum Migrationsmanager. Dieses Frühjahr werden die ersten "Akademischen Experten" in Migrationsmanagement ihr Studium abschließen. Jene, die ihre Studien fortsetzen, erhalten nach drei Jahren den Abschluss Master of Advanced Studies, nach sieben Semestern den Titel Master of Science.
Karl Steininger ist einer der Studierenden dieses Studiengangs. Der Leiter des Arbeitsmarktservice Traun (OÖ) sah sich und seine Mitarbeiter zuletzt bei so mancher Frage "hilflos". 12.500 Arbeitslose aus der Region Linz-Land/West werden hier jährlich betreut. Zwölf Prozent von ihnen haben laut Statistik Migrationshintergrund. De facto seien es aber dreimal so viele - denn die Statistik beruht lediglich auf der Frage nach der Staatsbürgerschaft. Zwölf Prozent der Arbeitssuchenden sind also nicht österreichische Staatsbürger.
Die Herausforderungen sind mannigfaltig, erzählt Steininger. Müssen islamische Jugendliche, die an einer Bildungsmaßnahme teilnehmen, an einem religiösen Feiertag den Unterricht besuchen? Wie ist gläubigen muslimischen Männern zu antworten, wenn sie fragen, ob dem wirklich so sei, dass ihnen hier am AMS eine Frau sage, was zu tun ist?
"Natürlich werden wir heute keinen Muslimen an eine Fleischabteilung im Supermarkt vermitteln. Und wenn eine Frau Kopftuch trägt, wird man nicht versuchen, sie im Verkauf unterbringen", betont der AMS-Leiter. Ihm ist aber bewusst, dass es auch an seiner Einrichtung "subtile Formen des Rassismus gibt". Er selbst sei weltoffen, seit Jahren gut mit einer türkischen Familie befreundet. Nun sei es ihm ein Anliegen, "Hilflosigkeit durch Kompetenz zu ersetzen" - und mögliche Probleme schon im Vorfeld aus dem Weg zu räumen.
Intergration als "Muss"
Was er bisher aus dem Studium in Krems mitgenommen hat: Wanderungsbewegungen hat es immer gegeben, "sie sind völlig normal". Und: auch dahinter zu schauen. "Was bewegt Menschen, die für sie vertraute Umgebung zu verlassen und in eine ungewisse Zukunft in einem fremden Land mit anderer Kultur und Sprache aufzubrechen?"
Als Arbeitsmarktexperte sehe er zudem, "dass uns jetzt schon die Lehrlinge ausgehen und Fachkräfte fehlen". Die zunehmende Überalterung der Gesellschaft werde in den kommenden Jahren diesen Trend noch verstärken. Für den Wirtschaftsstandort sei es aber eine Überlebensfrage, über ausreichend Fachkräfte zu verfügen. "Wir brauchen also Zuzug. Dazu wurde ja nun auch die Rot-Weiß-Rot-Karte geschaffen." Für ihn als AMS-Leiter sei es daher geradezu ein Muss, sich Fragen der Integration, des guten Zusammenlebens zu stellen.
Die Zielgruppe des Studiengangs "Migrationsmanagement" ist breit gefächert: Personen in Führungs- und Organisationsfunktionen, die sich in ihrer Tätigkeit mit Fragen der Migration und Integration konfrontiert sehen, Mitarbeiter in der kommunalen Integrationsarbeit (auch NGOs und religiöse Gemeinschaften), Beschäftigte des AMS, der Flüchtlingshilfe, der Polizei und Verwaltung, in Kindergärten, Schulen, der Erwachsenenbildung, in Spitälern und Pflegeheimen.
So vielfältig wie die Herkunftsberufe der Studierenden sind dann auch die Fragestellungen, welche die Teilnehmer aus ihrer beruflichen Praxis an die Uni mitbringen. Es ist grundsätzlich ein Merkmal der Donau-Uni, ihre Fallbeispiele auf Basis konkreter Fragen aus dem beruflichen Alltag der Studierenden zu gestalten. Biffl nennt ein Beispiel: "Da ist zum Beispiel der Fall eines Wohnheims mit einer zunehmenden Anzahl von zu Betreuenden, die Migrationshintergrund haben." Was muss man hier an den bestehenden Strukturen ändern?
Was tun bei Konflikten
Beispiel zwei: Wie geht man als Arbeitgeber damit um, wenn sich in der Belegschaft Anhänger zweier rivalisierender religiöser Gruppen befinden? Biffl nennt hier Muslime und Aleviten. "Du bist ja kein ordentlicher Muslime", sagt dann etwa der eine zum anderen. Für Unternehmen seien solche Konflikte eine Herausforderung.
Vermittelt wird neben Theorie, etwa zur Frage "Warum haben wir Migrationen?" vor allem eines: Projektmanagement. "Migrationsmanagement ist in hohem Maße Projektmanagement", betont Biffl. Dazu gehören auch Kosten-Nutzen-Analyse.
Biffl arbeitet derzeit mit ihrem Team an einer Spezialisierung dieses Bildungsangebots für Mitarbeiter an medizinischen Einrichtungen. In Pflegeheimen sei es heute schon so, dass ein Gros des Personals Migrationshintergrund habe. Das müsse sich auch in der Managementkultur in solchen Einrichtungen widerspiegeln.
Website Donau-Universität Krems