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Migrationselite engagiert sich

Von Barbara Essig

Politik
Preisträgerinnen 2008: Die ehemalige Eisschnellläuferin Emese Antal-Dörfler, Gabrielle Costigan, die Pianistin, Klavierpädagogin Marialena Fernandes, Shams Asadi und Beatrice Achalake.
© © SEAN-ART

Seit 2008 erhalten Migrantinnen für besondere Leistungen den MiA-Award.


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Wien. MiM, kurz für "MiAs in Motion", präsentierte sich Dienstag Abend im Forum Mozartplatz der Öffentlichkeit. Was sich hinter dieser Abkürzung verbirgt, war anfangs freilich den wenigsten Besuchern klar. Ob sie so etwas seien wie "Sex and the City", soll ein Ehemann gefragt haben. Nein, sind sie nicht. Vielmehr bestehen die MiAs in Motion aus ehemaligen Preisträgerinnen des MiA-Awards, mit dem seit 2008 Migrantinnen ausgezeichnet werden, die sowohl beruflich als auch gesellschaftlich Herausragendes geleistet haben. Der Preis wird seither jährlich in den Kategorien Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft, Humanitäres und Gesellschaftliches Engagement, Kunst und Kultur sowie Sport vergeben.

Die drei Bälle, die im Logo der MiMs den I-Punkt ersetzen, stünden für die Bewegung, in der sie sich ständig befänden, erzählen Gabrielle Costigan und Shams Asadi. Das englische Wort "motion" würden sie verwenden, um ihre Internationalität zu unterstreichen. Die gebürtige Australierin Costigan arbeitet bei der OMV als Regional Manager Middle East and Caspian und erhielt den MiA-Award im Jahr 2008 in der Kategorie "Wirtschaft", die iranische Raumplanerin Shams Asadi wurde im gleichen Jahr in der Kategorie "Wissenschaft" ausgezeichnet.

Wenn man die Energie spürt, die beide Frauen ausstrahlen, glaubt man ihnen jedes Wort. Etwas wortkarger werden die MiAs bei der Frage nach jenen Projekten, die sie in nächster Zukunft umsetzen wollen. Das Publikum scheint das kaum zu stören. Die Stimmung ist unglaublich gut, fast schon ausgelassen. Die Besucher bunter gekleidet als sonst bei solchen Veranstaltungen, was allerdings auch daran liegen mag, dass die Männer fehlen und mit ihnen die grau-schwarzen Anzüge. Denn gut drei Viertel des Publikums sind weiblich.

"Wir wollen kein gewöhnlicher Verein sein", erklärt Vorstandsvorsitzende Gabrielle Costigan später gegenüber der "Wiener Zeitung". Vielmehr würden sie sich als Pool von Frauen verstehen, der bereit ist, etwas beizutragen. Wie genau sich diese Bereitschaft in die Praxis umsetzen lässt, müssen sie bei der nächsten Vorstandssitzung erst einmal für sich selbst klären. Klar ist jedoch, dass sie mit bereits existierenden Vereinen und Projekten kooperieren wollen. Solch eine Zusammenarbeit existiere etwa schon mit dem "Projekt Xchange", bei dem Menschen mit Migrationshintergrund als Botschafter in Schulen gehen.

Der erste Schritt der MiMs sei es gewesen sich gegenseitig zu unterstützen und zu stärken, sagt Costigan. Geboren wurde diese Idee beim gemeinsamen Kaffeetrinken nach einem Empfang für die Gewinnerinnen des MiA-Awards bei Bundespräsident Fischer. Seither hätten sie etwa Selma Prodanovic, die Gewinnerin der Wirtschafts-MiA 2010, bei der Ausrichtung von IncrediblEurope, einer Innovationskonferenz in Wien, unterstützt. Beatrice Achaleke, die 2008 für ihr gesellschaftliches Engagement ausgezeichnet wurde und heute eine Konferenz zu Diversity Management organisiert, kann ebenso auf die Unterstützung der MiMs zählen.

Das Mission Statement der MiMs lautet "Vernetzung internationaler Vorbilder". Als internationale Vorbilder würden sie sich auch sehen, meint Vize-Vorsitzende Shams Asadi. Nicht nur wegen ihrer fachlichen Qualifikationen, sondern vor allem weil sie in verschiedenen Ländern und Kulturen gelebt haben und eine Vielzahl von Sprachen beherrschen. "Vor allem wollen wir aber die Bedeutung von Internationalität und Mobilität vermitteln", sagt Asadi. Deshalb wären bei den MiMs auch Österreicherinnen willkommen, die im Ausland Erfahrungen gemacht haben. Auch Männer, "wenn sie wollen".

Wozu Migrationselite?

Innerhalb der Migranten in Österreich nehmen die MiMs freilich eine Sonderstellung ein. Denn wer wirtschaftlich erfolgreich und gesellschaftlich angesehen ist, tut sich meist auch mit der Integration leicht: Sie fühle sich viel eher als Österreicherin denn als Migrantin, erzählt Selma Prodanovic. "Ich bin österreichische Staatsbürgerin und habe zwei Kinder in Österreich. Erst durch den MiA-Award bin ich wieder gezwungen worden, mich mit meinem Migrationshintergrund auseinanderzusetzen." Shams Asadi stimmt ihr zu: "Ich habe 15 Jahre im Iran gelebt, 20 Jahre in Österreich. Soll ich sagen, ich bin Iranerin?" Gabrielle Costigan, die 2001 und somit rund zehn Jahre später als ihre Kolleginnen nach Österreich kam, sieht die Sache differenzierter. Als Österreicherin würde sie sich nicht fühlen. "Ich würde aber auch nicht sagen, dass ich keine Österreicherin bin. Der Titelsong der MiA Nicht dort, nicht hier trifft es wohl ganz gut."

Weshalb Österreich eine Migrationselite wie die MiMs braucht, wurde in einer Podiumsdiskussion besprochen. In Österreich fehle das Bewusstsein, dass das Land auf einen Fachkräftemangel zusteuere, erklärte der Unternehmer Ali Rahimi. In Deutschland sei dieser längst Realität. Jährlich entgingen den deutschen Klein- und Mittelbetrieben 40 Millionen Euro, weil es nicht genügend qualifizierte Arbeitskräfte gebe. Um für ausländische Arbeitskräfte attraktiv zu sein, müssten sich diese im Land wohlfühlen. Anstrengungen von österreichischer Seite seien notwendig. "Dazu gehört auch, dass die Familie nachkommen kann", betonte Rahimi.

Andreas Accardo von der EU-Grundrechtsagentur sah das ebenso. Trotz der vor einigen Jahren eingeführten Blue Card, dem europäischen Pendant zur Rot-Weiß-Rot-Karte, sei die Lage "nicht so rosig, wie es aussieht". Immer weniger qualifizierte Arbeitskräfte würden in die EU einwandern. Schuld seien Wirtschaftskrise und Politik: "Die bürokratischen Hindernisse haben in vielen Ländern zugenommen. Heute ist es viel schwieriger, eine Niederlassungsgenehmigung oder gar eine Staatsbürgerschaft zu bekommen."