NGOs fordern Ausgliederung des Asylwesens aus Innenministerium.
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Wien. Manche sehen darin eine Resignation angesichts überbordender Probleme - Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) selbst hingegen war am Mittwoch sichtlich bemüht, die Einmischung der Regierungsspitze ins Asylthema zu begrüßen: "Ich bin dem Herrn Bundeskanzler Faymann sehr dankbar für den Schulterschluss, den ich mir gewünscht habe", meinte die Ressortchefin in der "Aktuellen Stunde" des Nationalrats.
Wie Mikl-Leitner betonte, sei es ein "starkes positives Signal", dass sich der Kanzler dieser Frage annehme: "Dafür sage ich danke." Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hatten am Vortag bekanntgegeben, eine Koordinierungsfunktion in Sachen Asyl einnehmen zu wollen und auch zwei Gipfel-Gespräche mit Ländern und NGOs wie zum Beispiel Caritas oder der Diakonie angekündigt.
"Signal der Hilflosigkeit"
Letztere halten es für einen der wichtigsten Schritte in Österreichs Asylpolitik, dass Bundes- und Vizekanzler das Thema zur Chefsache machen wollen, erklärten Caritas, Diakonie, Amnesty International und das Österreichische Rote Kreuz am Mittwoch. Auch Kardinal Christoph Schönborn mahnte dazu, "nicht wegzuschauen". Die NGOs interpretieren das Einschreiten der Regierungsspitze allerdings grundlegend anders als Mikl-Leitner. Für Caritas-Präsident Michael Landau etwa ist es ein Signal der Hilflosigkeit, sagte er am Mittwoch bei einer Pressekonferenz zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni.
Die NGOs fordern daher, das Asylwesen aus dem Innenministerium auszugliedern und zum Beispiel ein eigenes Integrationsministerium zu gründen. Auch dass das Justizministerium das Thema übernimmt, sei denkbar. Außerdem pochen sie auf den Beschluss eines Nationalen Aktionsplanes Asyl. Darin müssten die Unterbringung in festen Quartieren, die Zulassung zum Arbeitsmarkt und erhöhte Budgets geregelt sein. Landau sprach sich für zusätzliche Grundversorgungsplätze, mehr Personal für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie Integrationsmaßnahmen wie Deutschkurse aus.
Im Innenministerium kann man diese Forderungen nicht ganz nachvollziehen - allen voran den Vorschlag, das Ministerium des Themas Asyl zu entheben. "Die NGOs müssten doch selbst wissen, dass die Unterbringung der Flüchtlinge Ländersache ist", heißt es auf Nachfrage der "Wiener Zeitung". Da sei es egal, welches Ministerium involviert ist. Zum Nationalen Aktionsplan meint ein Sprecher des Ministeriums, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bereits aufgestockt werde. Außerdem komme der Schulterschluss mit der Regierungsspitze ohnehin einem Nationalen Aktionsplan gleich, hier gehe es nur um Begrifflichkeiten.
Pläne gingen nach hinten los
Aber die NGOs bleiben erzürnt. Zelte und Planlosigkeit reagierten, sagen sie. Zu viel ist in den vergangenen Monaten offenbar passiert. Angefangen hat es mit der Errichtung von Zeltstädten Mitte Mai nach einer massiven Zunahme an Flüchtlingen. Im kommenden Jahr erwartet Österreich mehr als 100.000 Asylwerber (weltweit sind etwa 50 Millionen Menschen auf der Flucht). Derzeit schlafen bereits rund 1000 Flüchtlinge auf Zeltbetten. Doch das, was Mikl-Leitner hier offenbar als Druckmittel einsetzte, um die Länder dazu zu bringen, ihre Quoten zu erfüllen, ging nach hinten los. Faymann persönlich nahm Mikl-Leitners Ultimatum an die Bundesländer, bis Freitag ihre Asyl-Quote zu erfüllen, zurück. Mikl-Leitner hatte damit gedroht, morgen mehrere Kasernen für Asylwerber per Verordnung zu öffnen, um die Zelte abbauen zu können. Nun ist es so, dass bis Freitag lediglich feststehen muss, ob die Unterbringungsquoten erfüllt sind. Ist das nicht der Fall, werde der Bund Kasernen öffnen - allerdings erst nach Adaptierungsarbeiten, hieß es.
Und noch ein weiterer Versuch der Ministerin, des Flüchtlingsstroms nach Österreich Herr zu werden, richtete sich letztendlich gegen sie: Um den Druck auf die anderen EU-Ländern zu erhöhen, sollen in Österreich ab jetzt keine neuen Asylverfahren eingeleitet und nur noch Rück- und Abschiebungen (Dublin-Fälle) bearbeitet werden, sagte sie. Dafür erntete sie Kritik sogar vom eigenen Koalitionspartner und wieder den NGOs. EU-Quote? Fehlanzeige.
Politisches Sommertheater?
Insgesamt wirkt Mikl-Leitner derzeit ziemlich allein zu Hause. Ihr die alleinige Verantwortung für das Asyl-Schlamassel umzuhängen, greift aber zu kurz. Die Situation ist allen über den Kopf gewachsen. Ein Indiz dafür: Vor fast genau einem Jahr - im Juli 2014 - war es Mikl-Leitner, die nach einem Aufnahmestopp in der Asyl-Erstaufnahmestelle Traiskirchen dazu aufrief, alle Optionen zu prüfen, um Notquartiere "so schnell wie möglich auf die Beine zu stellen". Dafür wollte sie auch mit der Kirche, Caritas und Diakonie sprechen. Eine Absage kam allerdings von Landau: "Wir werden für ein solches politisches Sommertheater nicht zur Verfügung stehen", sagte er damals.