Mit Traktoren über die Ringstraße: Forderung nach "bedarfsorientierter Milchmengensteuerung" und Abkehr von der Exportorientierung.
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Wien. "Ohne Quote Bauerntote", "Stoppt die Steuergeldverschwenung für Überschussexport", "Überschüsse: Vom Steuerzahler finanziert, Raiffeisen kassiert". Die Gruppe demonstrierender österreichischer Milchbauern, die an diesem Donnerstag mit ihren Traktoren über die Wiener Ringstraße rattern, machen auf Transparenten aus ihrem Ärger kein Hehl. Mit dem Auslaufen der EU-Milchquote vor einem Jahr sind die Milchpreise aufgrund von Mengenüberschüssen stark gesunken, und viele bäuerliche Betriebe, vor allem die kleinen, fürchten um ihre Existenz.
Lag der Preis für ein Kilo konventionelle Milch 2008 noch bei 40,5 Cent, sank er bis Juli 2005 auf ein Rekordtief von 25 Cent. Derzeit erzielen die Milchbauern einen Preis von 27 bis 29 Cent. Das ist viel zu wenig, moniert die IG Milch, die die Interessen von rund 1600 Bauern und Bäuerinnen vertritt. Diese wollen verständlicherweise ihre Umsätze halten und liefern mehr Frischmilch an die Molkereien, die eigentlich nicht mehr Milch brauchen. Das Verhältnis aus Angebot und Nachfrage ist also im Ungleichgewicht.
"Der Schlüssel liegtbei Raiffeisen"
Bei der Demonstration bekommen die Milchverarbeiter ordentlich ihr Fett ab. Nach dem Start vor dem Haus der Europäischen Union in der Wipplingerstraße zieht der Traktoren-Konvoi zum Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Platz, dem Sitz der VÖM, der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter. Unter ohrenbetäubendem Kuhglockengescheppere, Traktorgehupe und den Augen neugieriger Passanten und Raiffeisen-Mitarbeitern errichten Demonstrationsteilnehmer vor dem Raiffeisen-Haus einen künstlichen Milchsee, und VÖM-Geschäftsführer Johann Költringer wird von IG-Milch-Obmann Ewald Grünzweil um ein Statement gebeten, denn "bei Raiffeisen liegt der Schlüssel für die Korrektur der Milchwirtschaft".
"Die Molkereien sehen ihre Hauptaufgabe in der bestmöglichen Verarbeitung der Milch", so Költringer. Die Entscheidung über die Einführung eines Art Bonus-Malus-Systems, wie es schon ein paar Molkereien machen, will er jeder einzelnen Molkerei überlassen. So zahlt etwa die Gmundner Molkerei im Rahmen einer "Zielmengenvereinbarung" je nach Anlieferungsmenge mehr oder weniger als den Basispreis von derzeit 27 Cent pro Kilo Milch. Grundlage ist die im Vorjahr angelieferte Jahres-Gesamtmenge.
In Ermangelung politischer Lösungen müssten die Verarbeitungsbetriebe Verantwortung übernehmen, so die IG Milch, und appelliert an diese, klare Signale an die Milchlieferanten auszusenden, die Produktion deutlich zu reduzieren. "Die Bauern ertränken sich gegenseitig in Milch", so Grünzweil. "Bedarfsorientierte Milchmengensteuerung" wird auf einem Transparent gefordert.
Gleichzeitig will die Interessenvertretung eine Abkehr von der Exportorientierung der heimischen Milchwirtschaft. "Es macht keinen Sinn, um jeden Preis den Exportanteil zu erhöhen, um die Überschüsse außer Landes zu bringen", steht in einem am Donnerstag veröffentlichten "Milch-Manifest" von IG-Milch, den Grünen Bäuerinnen und Bauern sowie der Berg- und Kleinbauernvereinigung "via campesina austria". Es sollten nur mehr jene Produkte exportiert werden, die eine gleich hohe oder höhere Wertschöpfung erzielen wie am österreichischen Markt.
Im vergangenen Jahr wurden von den Molkereien Milchprodukte im Wert von 1,16 Milliarden Euro exportiert, der Exportanteil betrug 51,3 Prozent. Der Anteil Österreichs am gesamten EU-Milchmarkt beträgt nur 2 Prozent. Der Markt ist deutlich unter Druck geraten, nicht zuletzt aufgrund des Russland-Embargos und rückläufiger Importe in China.
Die VÖM fordert hingegen neue Anstrengungen zur Öffnung weiterer Exportmärkte und richtet an Lebensmitteleinzelhandel, Lebensmittelindustrie und Gastronomie den Appell, auf heimische Produkte zu setzen und nicht auf Billigangebote aus dem Ausland.
Marktsteuerungals Lösung
Die Milchbauern sehen eine Marktsteuerung als einzige Lösung für die derzeitige Krise am Milchmarkt. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter betonte im Gespräch mit der APA, dass er die Sorgen der Bauern sehr ernst nehme und er sich um Abhilfe bemühe. Es werde zwar keine EU-Milchquote mehr geben, sagte er. Die EU-Kommission habe aber zugesagt, über eine Änderung in der Marktordnung Modelle zu freiwilligen Mengenregulierungen durch die Molkereien zuzulassen.
Die heimischen Milchbauern sollten aber auch weiter auf Spezialmilch (Biomilch, Heumilch) setzen. Denn damit seien bessere Preise zu erzielen. Für Bio-Heumilch zahlen Molkereien aufgrund des knappen Angebots sogar bis zu 50 Cent.