Zum Hauptinhalt springen

Milchfrust

Von Alexandra Grass

Wissen
Ein Glas Milch ist für Kinder ein ungetrübter Genuss.
© fotolia/st-fotograf

Eine Laktoseunverträglichkeit macht vielen Erwachsenen schwer zu schaffen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Bei Temperaturen wie den vorherrschenden an einem Eisgeschäft vorbeizugehen, kostet Überwindung. Doch die Grundzutat des köstlichen Gefrorenen sowie diverser Shakes ist großteils Milch. Und diese drückt vielen Menschen auf den Magen beziehungsweise den Darm. Denn rund 20 Prozent der Österreicher leiden unter einer Laktoseunverträglichkeit. Beim Konsum von Milchzucker verspüren sie Bauchschmerzen, Blähungen und Völlegefühl.

Dabei dreht sich alles um das im Dünndarm beheimatete Enzym Laktase. Dessen Aufgabe besteht darin, den Milchzucker aufzuspalten, damit dieser von der Darmschleimhaut absorbiert werden kann. Bei einer verminderten Aktivität dieses Enzyms gelangt der Milchzucker in den Dickdarm, wo er von den dort ansässigen Darmbakterien vergoren wird. Die Gärprodukte Laktat (Milchsäure), Methan und Wasserstoff erzeugen die erwähnten Verdauungsprobleme.

Normalzustand

Grundsätzlich stellt die Laktoseunverträglichkeit im Erwachsenenalter allerdings einen Normalzustand dar, erklärt Peter Komericki von der Klinischen Abteilung für Umweltdermatologie der Universitätshautklinik Graz. So ist es von Natur her gar nicht vorgesehen, dass sich Menschen nach der Stillzeit noch von Milch ernähren. Während alle gesunden neugeborenen Säugetiere in der Lage sind, Laktase zu bilden, nimmt diese Enzymproduktion mit steigendem Alter nach und nach ab. Beim Menschen beginnt diese Verminderung spätestens ab dem sechsten Lebensjahr.

Immerhin ziehen Babys und Kleinkinder vom Milchkonsum noch einen physiologischen Nutzen. Hingegen sind rund 75 Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung von einer Laktoseintoleranz betroffen.

Lediglich auf der Nordhalbkugel sowie in Australien hat sich mit der Entwicklung der Viehzucht eine genetische Veränderung als Vorteil erwiesen und in Folge durch Vererbung breitgemacht. Der Konsum von Kuhmilch hat einen Überlebensvorteil dargestellt und war immunologisch gesehen und damit für die Gesundheit der Menschen dienlich, erklärt Komericki. Daher sind heutzutage auch rund 80 Prozent der Österreicher in der Lage, Milch zu verdauen.

Zur Austestung einer Unverträglichkeit ist derzeit die sogenannte Laktoseprovokation die gängigste Methode. Dabei wird in Wasser aufgelöster Milchzucker getrunken und ähnlich einem Alkotest der Wasserstoffgehalt in der Atemluft gemessen. Denn bildet der Dickdarm dieses Gärprodukt, gelangt es über das Blut in die Lunge, wo es ausgeatmet wird.

Eine Lebensmittelunverträglichkeit - wie es eben bei Laktose, aber auch Fruktose (Fruchtzucker) oder Gluten (Klebereiweiß aus dem Samen einiger Getreidearten) vorkommen kann - ist nicht als Krankheit per se zu sehen. Denn im Gegensatz zu Allergien sind die Beschwerden ausschließlich darmspezifischer Natur - ohne Folgeerkrankungen befürchten zu müssen.

"Echte Nahrungsmittelallergien manifestieren sich nicht nur im Darm, sondern rufen auch Haut- und Schleimhautveränderungen, Juckreiz, Ausschläge bis hin zu asthmatischen Beschwerden hervor", erklärt Komericki. Doch "man muss schon sein eigener Feind sein, wenn man das ignoriert", so der Allergologe angesichts der schmerzhaften Beschwerden, die aufgrund einer Laktoseunverträglichkeit auftreten können.

Die Lebensmittelindustrie ist an diesem Kundensegment auf jeden Fall sehr interessiert und wird dieser Tatsache nach und nach gerecht. Unzählige laktosearme und -freie Produkte machen sich sichtbar in den Regalen der Supermärkte breit. Hinweise auf Speisekarten erleichtern die Auswahl im Restaurant.

Laktose unterliegt im Übrigen ebenso wie Gluten, Soja und Co. der EU-Kennzeichnungspflicht bei Lebensmitteln. Und Vorsicht ist geboten. Denn Milchzucker kommt auch in sogenannten versteckten Lieferanten wie Wurstwaren, Fertiggerichten, Ketchup oder Backmischungen zum Einsatz.

"Das ist mittlerweile ein Milliardenmarkt, der angesprochen werden muss", betont Komericki. Und auch die Speiseeishersteller bemühen sich allerorts um ein entsprechendes Angebot. Einem ungetrübten Eisgenuss steht damit nichts mehr im Wege.