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Milchkaffee in der Milchstraße

Von Roland Knauer

Wissen

Die hohe Energie der "Supernovae" gibt Rätsel auf. | Der Kosmos zeigt Ähnlichkeiten mit einer Tasse Kaffee. | Berlin. Welche Vorgänge beschleunigen Atomkerne im Weltraum auf die unvorstellbar hohen Geschwindigkeiten, die Astrophysiker manchmal messen, wenn diese Teilchen auf die Erdatmosphäre treffen? Einen Teil der Antwort liefern Dieter Breitschwerdt vom Zentrum für Astronomie und Astrophysik (ZAA) der Technischen Universität Berlin (TUB) und Ernst Dorfi von der Wiener Universität.


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Beide Astrophysiker interessieren sich für die Vorgänge zwischen den Sternen. Sie analysieren den Raum, den Nicht-Astrophysiker oft für leer halten. Dort gibt es aber nicht nur Staub und Gas, sondern auch Atomkerne, die mit einem Tempo knapp unter der Lichtgeschwindigkeit und unvorstellbar hoher Energie durch den Kosmos jagen. Nicht nur die Dynamik dieses Gases, sondern auch die kosmische Strahlung aus dem Weltraum versucht Breitschwerdt zu verstehen, der 2008 von der Universität in Wien als Direktor an das Berliner ZAA kam.

Explodierende Sterne

Klar ist, dass diese Teilchen in der unmittelbaren Umgebung von explodierenden Sternen beschleunigt werden, die Astrophysiker "Supernovae" nennen. "Rätselhaft ist dagegen ihre extrem hohe Energie von bis zu zehn hoch zwanzig Elektronenvolt", sagt Breitschwerdt. "Solche Atomkerne haben zwar nur die unvorstellbar kleine Masse von zehn hoch minus 24 Gramm, jagen aber mit der gleichen Energie durch das Weltall wie ein Tennisball, den der Weltranglistenerste mit 200 Stundenkilometern übers Netz donnert."

Wie der Atomkern den ersten Teil dieser unvorstellbar großen Energie gewinnt, glauben die Theoretiker zu wissen. Hat ein Stern mehr als acht mal die Masse unserer Sonne, explodiert er am Ende seines Lebens in einer Supernova. Sobald das Sternenfeuer in ihm erlöscht, stürzt die Materie der toten Sonne auf das Zentrum des Sterns zu.

Im Inneren ist die Materie aber bald so dicht, dass von außen auftreffende Teilchen an ihr zurück prallen und als Schockwelle nach außen jagen. Da im Zentrum einer Supernova nur die doppelte Masse unserer Sonne zurückbleibt, fliegen mit dieser Stoßwelle einige Sonnenmassen Materie nach außen. Viele der darin enthaltenen Teilchen sind elektrisch geladene Atomkerne und können daher von Magnetwellen in der Stoßwelle zusätzlich beschleunigt werden.

Durch Knicke in den Magnetfeldern werden diese Teilchen immer wieder über die Stoßfront gespiegelt und beschleunigt, bis sie mit einem Millionstel der Energie des besagten Tennisballs durch das Weltall sausen. Wie ein Schneepflug schiebt diese kosmische Strahlung gemeinsam mit aufgeheiztem Plasma das Gas und den Staub zwischen den Sternen an.

Wie sich diese bereits unvorstellbar schnellen Atomkerne weiter beschleunigen könnten, beantworten die Breitschwerdt udn Dorfl mit Computermodellen, die in einem wissenschaftlichen Beitrag demnächst erscheinen. Innerhalb einer Milchstraße erreichen die Atomkerne mit kosmischer Windunterstützung höchstens ein Tausendstel der Tennisball-Energie oder gut "Zehn hoch 17" Elektronenvolt im Physiker-Sprachgebrauch. Da Astrophysiker aber oft Teilchen messen, die mit "Zehn hoch 20" Elektronenvolt die Tennisball-Energie erreichen, müssen diese Atomkerne von Regionen außerhalb der Milchstraße stammen.

Computer-Modelle

Die Wissenschafter simuilieren in Computern die Vorgänge in einem Teil der Milchstraße, den ein in jeder Sekunde 300.000 Kilometer zurück legender Lichtstrahl in einigen tausend Jahren durchquert: Von der Geburt neuer Sterne bis zu deren Erlöschen oder der Explosion in einer Supernova gleicht die Computerwelt dem echten Kosmos. Eine zentrale Rolle für die Triebkraft der Ereignisse spielen anscheinend Turbulenzen: Die Teilchen zwischen den Sternen werden ja bisweilen abgelenkt und bilden Wirbel. Ohne solche Turbulenzen würde es viel länger dauern, bis die Teilchen sich gleichmäßig verteilt haben, die eine Supernova in den Weltraum jagt.

Der Kosmos reagiert da wie eine Tasse Kaffee, so Breitschwerdt. Bis sich ein Schuss Milch dort von selbst verteilt, wäre der Kaffee kalt. Kaffeetrinker greifen daher zum Löffel und rühren um. Dabei erzeugen sie in der Tasse Turbulenzen wie jene Weltraum, die die Milch oder die Atomkerne rascher als ohne Umrühren verteilen. Die in Supernovae explodierenden Sterne sind Lieferanten der kosmischen Strahlen und rühren das Ganze auch noch kräftig um.