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Miles-and-More-Diplomatie

Von Thomas Seifert aus Moskau

Politik
Außenminister Sebastian Kurz (Mitte) mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow (r.) und dem politischen Direktor des österreichischen Außenministeriums, Alexander Marschik.
© Dmitri Mernov

Kurz besucht Kerry und den russischen Amtskollegen Lawrow. Es geht um Österreichs Rolle beim OSZE-Vorsitz 2017.


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Moskau. Es ist fast ein Hauch von Pendel-Diplomatie. Am Montag traf Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) John Kerry in Washington, am Dienstag Sergei Lawrow in Moskau. "Die großen Kaliber eben", wie ein Mitglied der österreichischen Delegation sagt. Österreich bereitet seinen Vorsitz für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) für das Jahr 2017 vor. "Da ist es ein wichtiges Signal, wenn wir mit beiden Polen im OSZE-Raum, also den USA und Russland, gleich zu Beginn der Vorbereitungen auf den Vorsitz sprechen", sagte Kurz vor Journalisten im Radisson Royal Hotel Moskau.

Österreichs alte neue Rolle

Die OSZE musste sich nach dem Ende des Kalten Krieges mit einem Mauerblümchendasein begnügen, genauso wie Wiens Stern als Drehscheibe zwischen Ost und West zu sinken begann. In den vergangenen Jahren herrscht wieder ein deutlich raueres Klima in den Beziehungen zwischen Ost und West: Im Ukraine-Konflikt - oder zuletzt nach den Scharmützeln zwischen Aserbaidschan und Armenien - ist man froh, mit der OSZE ein Forum zu haben, in dem man miteinander reden kann. Wien hat zu seiner Rolle als neutraler Boden zurückgefunden: Der Atomstreit mit dem Iran wurde im Wiener Palais Coburg beigelegt. Und wenn sich die Konfliktparteien im Syrienkrieg wieder an einen Tisch setzen wollen, steht Wien als Tagungsort ebenfalls bereit.

Kurz möchte den "Kampf gegen Radikalisierung und Terrorismus" zu einem wichtigen Themen während der österreichischen OSZE-Präsidentschaft machen, schließlich sei das "ein Thema, wo auch die USA und Russland an einem Strang ziehen können".

In Washington versuchte Kurz, die österreichische Haltung in der Flüchtlingsfrage darzulegen: An der Schließung der Balkanroute habe kein Weg vorbeigeführt, denn wenn der Flüchtlingszustrom schon Österreich überfordere, dann gelte das erst recht für Länder wie Mazedonien. Kurz habe Kerry auch erläutert, dass der Durchzug von einer Million Menschen ohne Registrierung ein Sicherheitsrisiko darstelle. Um Kritik an der Flüchtlingspolitik Wiens im Keim zu ersticken, wies Kurz in den USA darauf hin, dass Österreich mit acht Millionen Einwohnern im vergangenen Jahr rund 90.000 Flüchtlinge aufgenommen hat - "weit mehr, als die USA und Kanada zusammen" (beide Länder zusammen haben rund 354 Millionen Einwohner).

Heikel wird Österreichs Rolle als OSZE-Vorsitzland im Ukraine-Konflikt: Er wird auch 2017 andauern. "Es ist wichtig, in der Frage geschlossen zu agieren. Zugleich ist es aber unabdingbar, trotz der Völkerrechtsverletzung (durch Russland im Ukraine-Konflikt, Anm.) weiter den Kontakt mit Russland zu suchen", sagt Kurz. Eine Lösung könne es nur gemeinsam mit Russland geben. Wien könne eine Rolle spielen, da Moskau in Österreich ein selbstbewusstes EU-Mitglied erkenne, "das seine Aufgabe auch darin sieht, immer wieder derjenige zu sein, der auch einen Schritt auf Russland zugeht", sagt Kurz.

Keine Politik ohne Moskau

Am Dienstagnachmittag traf dann auch noch Bundespräsident Heinz Fischer in der russischen Hauptstadt ein, wo er am Mittwoch vom russischen Präsidenten Wladimir Putin und Premier Dmitri Medwedew empfangen wird. Aus der Präsidentschaftskanzlei hieß es, Fischer wolle sich mit Putin auch über die aktuellen internationalen Krisenherde wie Syrien oder die Ukraine sowie über daraus resultierende Flüchtlingsströme unterhalten. "Russland ist ein wichtiges und einflussreiches Land in genau jenem Raum, der auch für Österreich von größter Bedeutung ist, nämlich Zentral- und Osteuropa, Naher und Mittlerer Osten und Zentralasien", umriss Fischer die Hintergründe seiner Reise. "Wirtschaftliche und politische Veränderungen in diesem Raum betreffen jeden Menschen in Österreich. Wir wollen mit den wichtigsten Playern in dieser Region vernünftig zusammenarbeiten." Fischer, der für Putin bei dessen Wien-Besuch 2014 Gastgeber war, betonte vor seinem Abflug nach Moskau, dass eine "Politik, die Europa von Russland trennen oder Russland von Europa trennen will" falsch sei.

Begleitet wird der Bundespräsident von vier Regierungsmitgliedern sowie einer Kultur- und Wissenschaftsdelegation. Eine Wirtschaftsdelegation ist nicht dabei - schließlich wurden wegen der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt. Moskau bemüht sich um deren Aufhebung und ist damit unter anderem bei Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) auf offene Ohren gestoßen. Die Sanktionen - über die EU-Staaten einstimmig entscheiden müssen - laufen im Juni aus. Auch die Gesprächspartner von Kurz und Fischer werden das wohl ansprechen. Sie sehen in Wien einen potenziellen Verbündeten - die Aufhebung der Sanktionen ist dennoch unrealistisch.