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Miliband versus Miliband

Von Alexander U. Mathé

Europaarchiv

Bruderpaar in Favoriten-Position. | Tony-Blair-Linie misst sich mit alter Sozialdemokratie. | London/Wien. In England hat die Wahl des neuen Vorsitzenden der Labour-Partei am Mittwoch begonnen. Behauptet man, dass Miliband das Rennen machen wird, liegt man allerhöchster Wahrscheinlichkeit nach richtig. Die Frage nach dem Vornamen gestaltet sich allerdings etwas schwieriger. Denn die beiden Top-Favoriten für das Amt sind das Bruderpaar David und Edward "Ed" Miliband. Den anderen drei Kandidaten werden kaum Chancen eingeräumt.


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Jeder der Brüder steht allerdings für eine völlig andere Positionierung der Partei. So ist der ehemalige Außenminister David Miliband der Favorit des alten Parteiadels, allen voran Ex-Premier Tony Blair. Für dessen "New Labour" steht David, also für den marktwirtschaftlich orientierten Parteikurs. Damit ist ihm auch die Unterstützung von Ex-Wirtschaftsminister und Ex-EU-Handelskommissar Lord Peter Mandelson, einem der Architekten von "New Labour", sicher.

Gewerkschaft droht

Ed Miliband hingegen will von "New Labour" loskommen. Die Partei solle nicht in der Vergangenheit leben, sagte der ehemalige Energieminister. Er sei der beste Kandidat, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Ed steht für die sozialdemokratische Linie der Partei und hat bereits angekündigt, die drei Millionen Arbeiter zurückgewinnen zu wollen, die seit Blair zu den konservativen Tories abgewandert seien. Labour ist für ihn zu einer "Partei der Bankerboni" verkommen. Hinter ihm stehen die mächtigen britischen Gewerkschaften. Die haben auch bereits im Vorfeld Drohungen gegen David Miliband ausgestoßen: Sollte er Chef werden und "New Labours" Mittelstandspolitik durchziehen, so würden auch der Geldhahn gedrosselt, erklärte der Chef der 700.000 Mann starken Gewerkschaft GMB, Paul Kenny. Die hat allein im ersten Halbjahr 2010 fast zwei Millionen Euro an Labour gespendet.

Gerne wird in den Medien das Bild vom gnadenlosen Bruderzwist bemüht, sogar bis hin zu Kain und Abel. Doch ganz so wild dürfte die Situation dann doch nicht sein. Während die beiden zwar tatsächlich gelegentlich die eine oder andere Stichelei auspacken, so haben sie doch erklärt, dass jeder von ihnen absolut bereit wäre, unter dem anderen zu dienen.

Aufgabe des nächsten Parteichefs wird es sein, die marode Partei aus ihrem Tief zu holen. Seit ihrem großen Wahlsieg 1997 hat sie konstant an Wählern verloren, was schließlich unter Gordon Brown in der Wahlniederlage im Mai gipfelte. Rechtzeitig zum parteiinternen Wahlauftakt bekam der Mann, der den Parteivorsitz und das Amt des Premierministers mitten in der Amtszeit von Blair übernommen hatte, von diesem ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. In seiner am Mittwoch erschienenen Autobiographie bescheinigt Blair seinem früheren Schatzkanzler "null emotionale Intelligenz". Er sei "unerträglich" gewesen, die Zusammenarbeit mit ihm eine regelrechte Qual.

Kompliziertes System

Bis der neue Labour-Chef feststeht, muss sich das Publikum allerdings noch etwas gedulden. Das Wahlverfahren ist nämlich kompliziert. Die Wähler werden in drei Gruppen geteilt, von denen jede zu einem Drittel gewichtet wird: Wählen dürfen erstens Labour-Abgeordnete zum britischen und zum europäischen Parlament, zweitens Parteimitglieder und drittens Mitglieder assoziierter Organisationen wie Gewerkschaften. Bei der letzten durchgeführten Urwahl 1994 machte das in Summe eine Million Wähler.

Jeder, der bis 8. September der Labour-Partei beitritt, darf seine Stimme abgeben. Wahlschluss ist nach derzeitigem Stand der Dinge der 22. September. Verkündet wird das Ergebnis dann am 25. September, auf dem großen Parteitag in Manchester.