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Militante demontieren Abbas' Friedenskurs

Von Ines Scholz

Politik

Nur vier Tage nach der Wahl von Mahmud Abbas zum neuen Palästinenserpräsidenten haben radikale Widerstandsgruppen mit ihrem blutigen Anschlag am Grenzübergang Karni im Gazastreifen die Aussichten auf einen neuen Nahost-Friedens- | prozess vorerst einmal zunichte gemacht.


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Stolz bekannten sich die radikal-islamische Hamas-Organisation, das Volkswiderstandskomitee und der radikale Fatah-Ableger "Al-Aksa-Brigaden" gestern zu dem Anschlag, bei dem am späten Donnerstagabend bei dem Grenzübergang sechs Israelis und die drei Attentäter ums Leben kamen. "Der Jihad und der Widerstand gehen weiter", hieß es in einem Bekennerschreiben, das im Internet veröffentlicht wurde. Die Gruppe spricht darin von einem Racheakt für den Tod von knapp einem Dutzend Palästinensern, die in den vergangenen Tagen bei israelischen Militäraktionen ums Leben gekommen waren.

Die Attentäter hatten um 22.45 Uhr mit einer 120-Kilogramm-Bombe ein Loch in die Mauer des Grenzübergangs Karni östlich von Gaza-Stadt gerissen und anschließend das Feuer auf Israelis eröffnet, die sich auf der anderen Seite befanden. Die sechs Todesopfer waren allesamt Zivilisten, die bei dem Übergang gearbeitet hatten. Vier Personen wurden verletzt. Die Attentäter wurden bei den Schusswechseln ebenfalls getötet.

Israel sperrte in Reaktion auf das Blutbad nicht nur diesen Übergang - über ihn wird der Transport sämtlicher Waren, Nahrungsmitteln und Medikamente von und nach Israel abgewickelt -, sondern auch den Personen-Grenzübergang Erez. Vor zwei Wochen war bereits die Passage nach Ägypten dicht gemacht worden. Israel sagte gestern zu, dass es die nun völlig von der Außenwelt abgeschlossene Bevölkerung von Gaza weiterhin mit dem Lebensnotwendigsten versorgen werde, sofern dies die Lage zulasse. Zugleich flog die Luftwaffe im Gazastreifen mehrere Angriffe auf Einrichtungen radikaler Palästinensergruppen, darunter ein medizinisches Zentrum. Über Opfer wurde nichts bekannt.

Für Abbas, der heute als Präsident vereidigt werden soll, haben sich durch den jüngsten Terrorakt die Aussichten für seinen angekündigten Verhandlungskurs mit Israel deutlich verdüstert. Im schlimmsten Fall kann er sogar das frühzeitige Aus des hoffnungsvoll erwarteten Friedensprozesses bedeuten. Abbas hatte sich nach seiner Wahl am vergangenen Sonntag redlich darum bemüht, mit den radikalen Gruppen eine Waffenruhe auszuhandeln und Gewaltakte gegen Israel als kontraproduktiv kritisiert. In den kommenden Wochen wollte er seine Bemühungen intensivieren. Der Anschlag der Terror-Troika von Donnerstagabend hat die Hoffnung auf einen glimpflichen Ausgang nicht gerade erhöht.

Israels Ministerpräsident Ariel Sharon hat nach Fernsehberichten vom Freitag jeden Kontakt zu Palästinensern abgebrochen. "Der Ministerpräsident hat alle Mitglieder der Regierung angewiesen, die Kontakte mit der Palästinenser-Behörde einzustellen, bis diese die erforderlichen Schritte zur Eindämmung der Gewalt und zur Beendigung des Terrorismus ergreift", sagte ein hoher israelischer Regierungsvertreter am Freitag. In einem TV-Bericht hieß es zudem, die israelische Armee habe grünes Licht für eine groß angelegte Offensive gegen radikale Palästinenser-Gruppen im Gazastreifen erhalten.

Ariel Sharon wird nun umso nachhaltiger die Entwaffnung der radikalen Gruppen und die Verhaftung ihrer Anführer zur Bedingung für den Start von Friedensverhandlungen machen.