Nato muss Ziele für Afghanistan herunterschrauben. | Brüssel. Der internationale Einsatz in Afghanistan wird zunehmend zu einem Desaster. So will die Nato ihre Ziele in dem zunehmend im Chaos versinkenden Land wegen Unerreichbarkeit zurückstufen. Das ist eines der Hauptthemen beim Nato-Außenministerrat heute, Donnerstag. Die neue US-Außenministerin Hillary Clinton wird zudem versuchen, die europäischen Verbündeten zu mehr Engagement am Hindukusch zu bewegen. Immerhin will Washington seine schon heute fast 50.000 Mann starke Truppe in Afghanistan bis zum Sommer um weitere 30.000 aufstocken, um die Lage halbwegs in den Griff zu bekommen. Dazu soll auch die ohnehin fast zur Hälfte von den USA getragene internationale Schutztruppe Isaf ausgebaut werden, die derzeit gut 56.000 Mann umfasst.
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Denn die Situation werde ständig schlechter, hieß es in Diplomatenkreisen. Die Aktivitäten der Taliban und anderer feindlichen Gruppen nehme rapide zu. Darüber hinaus wachse auch bei den USA die Enttäuschung über den schleppenden Aufbau von Armee und Polizei. Der ursprünglich von Washington gestützte Präsident Hamid Karzai bringe weder politisch noch wirtschaftlich etwas weiter, heißt es. Zudem soll sein Clan munter im Drogengeschäft mitmischen.
Karzais letzter Streich ist die Vorverlegung der nächsten Wahlen per Dekret von Mitte August auf 22. April. Hintergrund ist ein Problem mit der afghanischen Verfassung: Karzais Mandat läuft Ende Mai aus, mindestens 30 Tage davor sollte gewählt werden. Doch die internationalen Schutztruppen sind entsetzt: Die Sicherheitslage mache die Abhaltung von Wahlen derzeit unmöglich, hieß es.
Neben den Taliban zählen auch unkooperative Stammesfürsten und die organisierte Drogenkrimininalität zu den Gegnern der Allierten, wobei die Grenzen zwischen den Gruppen oft verschwimmen. So schätzt die internationale Anti-Drogenbehörde Unodc, dass 90 Prozent der Weltopiumproduktion aus Afghanistan kommen. 300 Millionen US-Dollar (238 Millionen Euro) sollen dadurch jedes Jahr in die Kriegskasse der Extremisten fließen.
Anti-Drogen-Mandat
Einen Kompromiss bei der Drogenbekämpfung hat die Nato immerhin schon gefunden. So soll jeder Staat für sich selbst über das Vorgehen seiner Soldaten entscheiden. Ein Mandat für ein Vorgehen gegen die kriminellen Netzwerke und die Verteilung der Lieferungen hat Isaf immerhin bereits. Ursprünglich hätten die USA die Mohnfelder schlicht mit Bombenteppichen bedecken wollen. Davon hat vor allem Deutschland, das seine rund 2600 Soldaten demnächst um 600 aufstocken will, entschieden abgeraten. Berlin soll seine Truppen auch weiterhin nicht offensiv in der Drogenkämpfung engagieren wollen. Durch Beratung und lohnende Alternativen sollen die Bauern auf andere Feldfrüchte umschwenken, so das Kalkül.
Das hört sich beinahe idealistisch an: Denn das Ziel der Nato scheine nur noch zu sein, "sicherzustellen, dass Afghanistan nicht wieder ein Ausbildungsgebiet für Taliban und Terroristen wird", erläuterte ein Diplomat. Bisher lauteten die Ziele: Die Macht der Zentralregierung sollte auf das ganze Land ausgeteilt, die Sicherheitsaufgaben an afghanische Kräfte übertragen und die wirtschaftliche Eigenständigkeit erzielt werden. All das scheint illusorisch: Neben weiten Teilen Afghanistans gerät zunehmend der Nordwesten Pakistans unter die Kontrolle der Taliban mit ihrem Steinzeitislamismus. Polizei und Administration der afghanischen Regierung seien ineffizient und von Korruption durchsetzt.
Neben dem Hauptthema Afghanistan geht es auch um die Nato-Erweiterung: Als Fixstarter gilt Albanien. Kroatien muss noch wegen einem möglichen Referendum in Slowenien zittern. Die Beitrittsanträge für Georgien und die Ukraine werden vorübergehend in die Schublade gelegt. Dafür soll die Wiedereinsetzung des Nato-Russland-Rates beschlossen werden.