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Säbelrasseln: So lautet der gängige Ausdruck für die komplizierten Vorgänge am Persischen Golf. Die USA demonstrieren Entschlossenheit, den iranischen Drohungen einer Sperre der strategisch wichtigen Straße von Hormus entgegenzutreten. Notfalls mit militärischer Gewalt. Der Eindämmung von Teherans Einfluss dient auch die Absicht Washingtons, seine Verbündeten in der Region massiv aufzurüsten.
Dass die USA so massiv auf die militärische Karte setzen, mag viele überraschen. Eine solche Strategie hätte doch, gemäß der in Europa populären Logik, mit dem Abgang der intellektuell beschränkten Bush-Administration passé sein sollen. Warum vertraut auch der Liberale und Multilateralist Barack Obama auf die militärische Macht der USA? Zumal doch - gemäß einer weit verbreiteten Überzeugung unter Experten für internationale Politik - die rohe Gewalt des Militärs spätestens seit dem Ende des Kalten Krieges von der Macht der Wirtschaft abgelöst wird. Wenigstens in diesem Punkt hätte der Marxismus als Weltendeuter also recht behalten.
Zweifellos hat die Bedeutung wirtschaftlicher Stärke auf die internationale Politik stark zugenommen - und wird weiter zunehmen; anderes zu behaupten, wäre angesichts des aktuellen Kräftegleichgewichts absurd. Aber gleichzeitig hat der Einfluss militärischer Macht nicht in dem Maß abgenommen, wie es manche Experten prognostiziert beziehungsweise erhofft haben.
Militärische Macht, so schreibt der liberale US-Politologe und Ex-Politiker Joseph S. Nye in der aktuellen Ausgabe des Magazins "Phoenix", verleihe "ein Maß an Sicherheit, das sich zur Ordnung verhält wie die Luft zum Atmen: Man merkt sie kaum, bis sie knapp wird, von welchem Punkt an ihr Fehlen dann alles andere dominiert."
Schon einmal, während der Ära Bill Clintons in den 1990ern, versuchten sich die USA als damals einzige verbliebene Supermacht in der Rolle des globalen Stabilitätsfaktors. Die Spin-Doktoren dieser Strategie sprachen von den USA als "wohlwollendem Hegemon". Nun versucht Obama dieses Konzept wiederaufzunehmen. Allerdings hat sich seit Clinton die Welt weitergedreht: 9/11; der Aufstieg Chinas, Brasiliens, Indiens; die Demilitarisierung Europas . . .
Den USA ist dagegen ihre militärische Macht geblieben, doch damit lässt sich immer noch viel bewirken - nicht nur Schlechtes. Hoffentlich.