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Militärdienst für Ultraorthodoxe entzweit israelische Regierung

Von Alexander Dworzak

Politik

Experte sieht "Ende der Kadima", sollte Partei wie angedroht Koalition verlassen.


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Jerusalem. Politik, Militär und Religion: Alle drei Bereiche werden in einer heftigen Kontroverse vereint, die derzeit in Israel stattfindet. Den vorläufigen Schlusspunkt setzt Vizepremier Shaul Mofaz von der Kadima. Er drohte am Mittwoch mit dem Austritt seiner Partei aus der Koalition.

Handstreichartig hatte Premier Benjamin Netanyahu Anfang der Woche das "Plesner-Komitee" aufgelöst, das Vorschläge für ein neues Gesetz zur Wehrpflicht ausarbeitet. Der Entwurf sieht vor, dass bis zum Jahr 2016 rund 80 Prozent der Ultraorthodoxen entweder Militär- oder Zivildienst leisten. Mofaz und seine Partei gelten als treibende Kraft hinter der Reform. Dabei treffen sie mit ihrem Vorschlag auf erbitterten Widerstand der Ultraorthodoxen. Pikanterweise sitzen die sogenannten Haredim ebenfalls in der Regierung, wie auch die Rechtsnationalen unter Außenminister Avigdor Lieberman.

Sollte Kadima die Koalition tatsächlich verlassen, wäre es "das Ende der Partei", analysiert Micky Drill von der Friedrich-Ebert-Stifung in Israel im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Nach internen Querelen und einem Wechsel in der Führung wäre ein Scheitern des "Plesner-Komitees" verheerend. Die Kadima als "ganz seltsamer Zusammenschluss" aus Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen könnte dann erodieren, so der Experte der SPD-nahen Stiftung.

Erste Reihe fußfrei verfolgt Premier Netanyahu die Debatte: Er benötigt für die Reform der Wehrpflicht nicht die Stimmen der Kadima. Der Likud-Chef muss lediglich bis 1. August einen Gesetzesentwurf liefern, nachdem das Oberste Gericht die bisherige Regelung gekippt hatte; diese nimmt ultraorthodoxe Juden für religiöse Studien von der Wehrpflicht aus.

Rund 60 Jahre bestand das Gesetz. Bei Einführung galt es für 400 Religionsstudenten - heute sind es 60.000. Weite Teile der Gesellschaft sehen die Privilegien der Haredim als unfair an. Für die Religiösen gibt es hingegen keinen militärischen Sieg ohne die Unterstützung Gottes. Zudem sei die Armee wegen ihres säkularen Charakters unmoralisch und verderblich für die Haredim - auch, weil Frauen Dienst leisteten, so der ultraorthodoxe Rabbi Shimon Hurwitz gegenüber der "Neuen Zürcher Zeitung".

Ebenfalls vom Militärdienst ausgenommen sind die arabischen Israeli. Diese werden oft verdächtigt, nicht solidarisch mit Israel zu sein - auch weil sie Verwandte im Gazastreifen und dem Westjordanland haben. Das "Plesner-Komitee" schlägt nun vor, dass nicht nur Juden einen "Dienst für alle" leisten, bleibt aber Details schuldig. Nationalist Lieberman fordert die Wehrpflicht für rund 30.000 arabische Israeli. Der Wehrdienst im Land dauert für Männer drei Jahre, Frauen dienen zwei Jahre.